Introvertiert vs. extravertiert – Wie gelingt ein verständnisvoller Umgang?

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 31.01.2023

Introvertiert und extravertiert – Was bedeutet das?

Wie verhalten sich extravertierte Menschen? Und wann bezeichnet man eine Person als introvertiert?Introversion und Extraversion sind zwei entgegengesetzte Ausprägungen eines grundlegenden Persönlichkeitsmerkmals, mit der eine Vielzahl unserer Charaktereigenschaften einhergehen. Beide Begriffe stammen aus dem Lateinischen („vertere“ = wenden, „extra“ = außen, „intro“ = innen). Extravertiert lässt sich also mit „nach außen gewandt“ und introvertiert mit „nach innen gewandt“ übersetzen. Das weist bereits auf unterschiedliche Verhaltensweisen im sozialen Umgang hin.

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Das Energiekonzept – Wie füllen Introvertierte und Extravertierte ihre Energiespeicher auf?

Bei Extraversion und Introversion handelt es sich um ein Energiekonzept. Introvertierte Menschen tanken neue Energie mehr im Inneren, also indem sie ihre Ruhe haben und Zeit mit sich selbst verbringen. Wenn sie viel geleistet oder lange Zeit mit anderen Menschen verbracht haben, brauchen sie erstmal inneren Rückzug, um ihre Batterien wieder aufzuladen. Extravertierte füllen hingegen ihre Energiespeicher eher im Außen auf. Sie können sich in Gesellschaft entspannen und durch den sozialen Austausch mit anderen zu neuen Kräften kommen.

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Welche Ausprägungen der Merkmale gibt es?

Da sich Extra- und Introversion auf einem Spektrum befinden, gibt es auch unterschiedlich starke Ausprägungen der Merkmale.

Menschen, die sich eher in der Mitte dieser psychologischen Dimension befinden, bezeichnet man als zentrovertiert. Ist man hingegen ambivertiert, so schwankt die Persönlichkeit zwischen den beiden Polen Introversion und Extraversion. Ambiversion bedeutet also, dass man sich je nach Situation sehr unterschiedlich verhält, manchmal eher introvertiert und manchmal extravertiert, je nachdem mit welchen Menschen man sich umgibt. Ambivertierte Menschen sind oft sehr anpassungsfähig.

Warum bin ich intro- oder extravertiert?

In der Gesellschaft ist die Verteilung von introvertierten und extravertierten Menschen circa 50:50. Zu welchen der beiden Gruppen wir gehören, entscheiden primär unsere Gene, denn Introversion und Extraversion sind angeborene Merkmale. Umweltaspekte haben nur einen bedingten Einfluss auf das Ausmaß der Intro- oder Extraversion einer Person. Allerdings kann die Sozialisierung eines Menschen das mit dem Persönlichkeitsmerkmal einhergehende Verhalten unter Umständen verstärken oder hemmen.

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Intro- und Extraversion im Kindesalter

Aufgrund der hohen genetischen Komponente von Introversion und Extraversion macht sich bereits in sehr jungem Alter bemerkbar, welcher Ausprägung sich ein Kind eher zuordnen lässt. Geht ein Kind sehr vertrauensvoll auf andere Menschen zu, stellt auch fremden Erwachsenen freche Fragen und hat kein Problem, sich am Spielplatz ins Getümmel zu stürzen und sich die Schaukel zu erkämpfen, deutet das eher auf Extraversion hin. Nimmt der Sprössling meistens eher die Beobachterperspektive ein, ist sehr zurückhaltend im Umgang mit anderen Menschen und muss mehrmals ermutigt werden, nicht doch mit den anderen Kindern im Sandkasten zu spielen (die beißen auch ganz bestimmt nicht), spricht das eher dafür, dass unser Kind introvertiert ist.

Für immer intro- oder extravertiert?

Auch wenn sich die Ausprägungen im Alter etwas verschieben können (meist in Richtung Introversion), kommt eine komplette Richtungsänderung eher selten vor. Sind wir intro- bzw. extravertiert, begleitet uns dieses Merkmal meist unser ganzes Leben lang. Allerdings tragen natürlich auch noch andere psychologische Aspekte zu unserem sozialen Verhalten bei, die durchaus veränderbar sind. Doch was sind eigentlich diese Eigenschaften, die uns als introvertierte oder extravertierte Person auszeichnen?

Wodurch zeichnet sich Introversion und Extraversion aus?

Zwischen unzähligen Arbeitsmeetings die Mittagspause mit zwei Kolleginnen verbringen, nach der Arbeit noch mit ein paar Freunden essen gehen und dann nach Hause zum Partner und bei einem Glas Wein ein bisschen quatschen. Aber nicht zu lange, man will ja nicht zu spät zur großen Einweihungsparty der Schwester kommen. Und weil die Fahrtwege sonst so langweilig sind, im Auto auch nochmal die Mutter und die beste Freundin anrufen und fragen, wie es ihnen denn so geht. 
Was für einen Introvertierten wie ein wahrgewordener Alptraum klingt, ist für extravertierte Menschen kein Problem, ganz im Gegenteil: Bei so viel Trubel blühen sie regelrecht auf. Extravertierte und introvertierte Menschen gestalten ihren Alltag demnach meist sehr unterschiedlich, da sie viele gegensätzliche Charaktereigenschaften haben.

Introvertiert und extravertiert – Was bedeutet das?

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Lieben wir es, in Gesellschaft zu sein und sind gerne viel unterwegs, da wir uns sonst langweilen? Brauchen wir viel Kontakt im Außen, freuen uns, immer neue Menschen kennenzulernen und würden ein Essen mit Freunden oder eine Party in der Regel einem Abend auf der Couch vorziehen?

Dann gehören wir wohl zu den extravertierten Menschen. Extravertierte sind oft gesellig, charismatisch, aktionistisch, abenteuerlustig und häufig auch dominant. In der Regel können sie sich gut durchsetzen und übernehmen gerne die Führung. Außerdem arbeiten sie lieber mit anderen im Team zusammen als allein, stehen auch gerne mal im Mittelpunkt und sind um einiges risikofreudiger als Introvertierte, weshalb sie auch häufiger in Unfälle verwickelt sind.

Die Unterschiede zwischen Extra- und Introversion korrelieren auch mit unserem Gehirnstoffwechsel. Das extravertierte Gehirn wird viel mehr vom Belohnungshormon Dopamin gesteuert als das Gehirn eines Introvertierten. Daher benötigen extravertierte Menschen verstärkt äußere Reize, um ihre Akkus aufzuladen. 
Auch die Verarbeitung von Reizen läuft auf einer oberflächlicheren Ebene ab. Deshalb konsumieren Extravertierte Filme, Bücher oder Musik meist nicht so tiefgreifend wie Introvertierte. Sie sind eher flatterhaft, ihr Interesse springt schnell von der einen zur anderen Thematik und auch in Gesprächen neigen sie zu vielen Themenwechseln, anstatt sich detailliert mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen.

Typisch introvertierte Eigenschaften

Fühlen wir uns nach einem langen Tag unter Menschen ausgelaugt und brauchen erstmal etwas Zeit für uns, um zur Ruhe zu kommen? Beschäftigen wir uns gerne mit uns selbst? Können wir uns neue Kraft vor allem im Alleinsein tanken oder bei tiefen Gesprächen mit Menschen, die uns nahestehen?  

Dann sind wir wahrscheinlich introvertiert. Introvertierte sind eher ruhig und besonnen. Der Austausch mit anderen kostet sie Kraft, weshalb sie viel sozialen Kontakt oft als anstrengend empfinden. Das liegt daran, dass sie auf Sinneseindrücke besonders empfindsam reagieren. Ihnen genügen also schwächere Reize, um sich angeregt zu fühlen und sie brauchen Zeit mit sich selbst, um die vielen Eindrücke verarbeiten zu können.

Im Gegensatz zu Extravertierten nehmen Introvertierte in einer größeren Gruppe eher die Beobachterperspektive ein, anstatt viel zu sprechen oder sich in den Mittelpunkt zu stellen. Generell wirken Introvertierte eher zurückhaltend und in sich gekehrt. Das heißt aber nicht, dass sie den sozialen Austausch (vor allem mit ihnen vertrauten Personen) nicht genießen, solange sie zwischendurch auch mal durchatmen können. 

Introvertierte arbeiten lieber allein, da sie sich gut für lange Zeit konzentrieren und fokussieren können. Von oberflächlichen Gesprächen und Smalltalk sind sie eher abgeneigt. Stattdessen unterhalten sie sich gerne tiefgründig und detailreich über ein Thema oder beschäftigen sich über lange Zeiträume intensiv mit Dingen, für die sie ein starkes persönliches Interesse entwickeln können.
Wir beschreiben hier die beiden Extreme des Spektrums der Extra- und Introversion. Es kann aber auch sein, dass man Eigenschaften besitzt, die sich sowohl der Extra- als auch der Introversion zuordnen lassen. Die meisten Menschen ordnen sich in der Dimension dieses Persönlichkeitsmerkmals zwischen den beiden Polen ein. Sie sind also eher extravertiert oder eher introvertiert. Extreme Ausprägungen können zwar auch vorkommen, sind aber seltener.

Was sind klassische Konflikte zwischen Introvertierten und Extravertierten?

Da Extravertierte und Introvertierte in vielen Punkten so unterschiedlich sind, ist es kein Wunder, dass sie auch häufig aneinandergeraten oder sich missverstehen. Das fängt schon bei der Gesprächsführung an. Extravertierte sind im Gegensatz zu Introvertierten Sprechdenker. Das heißt, sie denken und sprechen gleichzeitig. Sie antworten also schnell und denken währenddessen darüber nach, was sie gleich als nächstes sagen wollen. Daher können manche Äußerungen auch zusammenhangslos oder sprunghaft wirken. Introvertierte Menschen sind sogenannte Denksprecher. Sie denken zuerst, um danach zu sprechen und halten ihre Gedanken länger unter Verschluss. Introvertierte brauchen also mehr Zeit, um zu reflektieren, bevor sie ihre Meinung äußern.

Sind wir extrovertiert, sollten wir also, vor allem in einem Streitgespräch, einer introvertierten Person Zeit lassen, um ihre Gedanken zu sortieren und sie nicht mit zu vielen Worten und Impulsen überfordern. Sind wir introvertiert, sollten wir uns bewusst machen, dass Extravertierte meist direkt sagen, was ihnen durch den Kopf geht. Wir sollten also Meinungsäußerungen nicht zu persönlich nehmen und gleichzeitig den Mut haben, unsere eigenen Ansichten zu äußern.

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Wie können Introvertierte und Extravertierte in einer Beziehung harmonieren?

Auf der einen Seite ist da die introvertierte Partnerin, die zwar gerne mal ausgeht, aber auch einige Tage in der Woche für sich braucht, um sich zu erholen. Und auf der anderen Seite gibt es den extravertierten Partner, der ständig etwas unternehmen und unter Menschen will. Schwierige Konstellation? 

Auf den ersten Blick ja. Schließlich fühlt sich die Introvertierte von der Rastlosigkeit ihres Freundes unter Druck gesetzt und der Extravertierte ist frustriert, weil ihm die Decke auf den Kopf fällt. So muss es aber nicht sein! Denn auf den zweiten Blick gibt es jede Menge Möglichkeiten, dieser scheinbaren Disharmonie entgegenzuwirken.

Sind wir introvertiert, ist es wichtig, dass wir lernen, uns abzugrenzen. Es ist nicht unsere Aufgabe, alle Bedürfnisse des oder der Partner:in zu erfüllen. Will unser extravertierter Partner den dritten Abend in der Woche auf eine Verabredung mit Freunden, ist ein „Ich bleibe heute lieber mit einem Buch zu Hause. Ich wünsche dir viel Spaß!“ absolut gerechtfertigt. 

Sind wir extravertiert, fühlen wir uns im Trubel richtig wohl. Gehört der Partner oder die Partnerin aber zu den introvertierten Menschen, sollten wir uns bewusst machen, dass er oder sie ein höheres Ruhe- und Rückzugsbedürfnis hat als wir. Statt unsere Bedürfnisse nach Erlebnissen und Geselligkeit deswegen zurückzuschrauben, sollten wir uns damit  vielleicht einfach hin und wieder an Menschen außerhalb unserer Beziehung wenden.

Warum Introvertierte und Extrovertierte gut zusammen passen

Gleich und Gleich gesellt sich gern? Das stimmt zwar – aber auch Gegensätze ziehen sich an. Extra- und Introvertierte passen also durchaus gut zusammen und das nicht nur, obwohl, sondern auch gerade weil sie in vielen Punkten zu unterschiedlich sind. Dadurch ergänzen sie sich nämlich wunderbar und können von ihren gegenseitigen Stärken profitieren.

Introvertierte Menschen schätzen es durchaus, mit jemandem zusammen zu sein, der voller Tatendrang ist und einen durch seinen Aktionismus auch einmal vor neue Herausforderungen stellt. Manchmal ist das nämlich genau der Schubs, der gebraucht wird, um aus der eigenen Welt herauszukommen und sich für neue Erlebnisse zu öffnen. 

Auf der anderen Seite fühlen sich Extravertierte oft angezogen von der tiefen Empfindsamkeit und Ruhe, die introvertierte Personen ausstrahlen. Und auch rastlosen Gemütern tut es gut, einmal in sich zu kehren. Sie profitieren sehr davon, einen Ruhepol an ihrer Seite zu haben, der dazu in der Lage ist, sie auch mal runterzuholen und zu erden.Intro- und Extravertierte können also sehr gut zusammenpassen. Wichtig ist, dass man um die Bedürfnisse des jeweils anderen weiß, diese respektiert und sich in einer verständnisvollen Kommunikation übt. Wenn das gelingt, kann aus einem gegensätzlichen Paar ein unschlagbares Team werden.

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