Ghosting
– wie gehen wir damit um?

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 31.01.2023

Der Handybildschirm leuchtet auf. Sofort gucken wir gespannt drauf und spüren Schmetterlinge im Bauch. Es ist wieder soweit: Wir haben jemanden kennengelernt, der oder die diesmal ganz anders ist als alle anderen davor. Wir haben schon viele Dates hinter uns, haben gemeinsam schöne Dinge unternommen und schreiben ständig hin und her – das kann nur gut werden! Was aber, wenn sich die Person von jetzt auf gleich nicht mehr meldet, ohne dass etwas vorgefallen ist? Das nennen wir “Ghosting”

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Aber was bedeutet “Ghosting” eigentlich?

“Ghosting” heißt, dass sich eine Person, mit der man zuvor eng in Kontakt stand, plötzlich einfach nicht mehr meldet, als ob sie vom Erdboden verschluckt wäre. Sie antwortet nicht auf Nachrichten, geht nicht ans Telefon; sämtliche Kontaktversuche laufen also ins Leere, ohne dass wir wissen, wieso. Ghosting ist ein Kontaktabbruch ohne jegliche Erklärung.

Das ist nicht nur genauso fies wie es klingt, sondern passiert auch ziemlich häufig: Ungefähr 20% der Menschen, die aktiv “daten”, wurden auch schon mal geghostet. Ghosting kann aber nicht nur in romantischen Beziehungen vorkommen, sondern auch mit Freund:innen, Familienmitgliedern oder Bekannten.

Online Dating und Gosting

Besonders seit Online-Dating so präsent ist, ist Ghosting in aller Munde. Fast jede:r hat wohl schon mal von jemandem gehört, der oder die “geghostet” wurde. Aber warum? Ganz einfach: Bei Online-Bekanntschaften ist die Hürde zum Kontaktabbruch viel geringer. Früher haben wir unsere Partner und Partnerinnen über Freund:innen kennengelernt, auf einer Party oder einer Geburtstagsfeier. Da war die Wahrscheinlichkeit, die Person noch einmal zu treffen, nachdem man sie “geghostet” hat, gefährlich hoch. Und sind wir ehrlich: Das wäre wohl für beide Parteien ziemlich unangenehm gewesen. In der Welt des Online-Datings ist das anders: Wir lernen plötzlich Menschen kennen, die wir sonst vermutlich nie getroffen hätten – und vor allem auch nicht wieder treffen werden, wenn wir es nicht wollen.

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Gründe für Ghosting

Aber was motiviert Menschen, einfach von der Bildfläche zu verschwinden und sich einfach nie wieder zu melden? Häufig sind diese Menschen konfliktscheu. Sie haben Angst, ihr Gegenüber zu enttäuschen oder zu verletzen und bei diesem negative Gefühle wie Wut, Ärger oder Trauer hervorzurufen. Konfliktscheue Menschen können schlecht aushalten, wenn andere Menschen auf sie sauer sind. So erfahren sie nämlich selbst Ablehnung. Problematisch ist das vor allem deshalb, weil die betreffende Person durch das Ghosten ihre eigenen Gefühle (also zum Beispiel Angst vor Ablehnung) über die Gefühle der anderen Person stellt.
Konfliktscheue und damit auch Ghosting liegt oft ein niedriges Selbstwertgefühl zugrunde: Dieses trägt dazu bei, dass negative Gefühle nur schwer ausgehalten werden können und daher vermieden werden.

Auch Bindungsangst kann ein Grund für Ghosting sein. Je enger eine Beziehung wird, desto ängstlicher werden diese Menschen, bis sie dieser Angst schließlich – und für ihr Gegenüber sehr plötzlich – erliegen. Der scheinbar einzig mögliche Ausweg: Kontaktabbruch. Andererseits kann auch Verlustangst Menschen zum Ghosting bewegen: Durch den Kontaktabbruch und das Ende der Beziehung kann man die Kontrolle behalten und muss sich der Verlustangst nicht aussetzen.

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Narzisst:innen & Bindungsvermeider:innen

Häufig findet sich Ghostingverhalten auch bei Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitszügen. Menschen mit narzisstischen Tendenzen nutzen Ghosting oft als Manipulationstechnik. Narzisst:innen verschwinden häufig nicht für immer – sie tauchen irgendwann genauso plötzlich wieder auf der Bildfläche auf, wie sie von ihr verschwunden sind. Oftmals geht das Spielchen dann von vorne los. Grund für dieses Verhalten ist, dass Narzisst:innen sehr schnell gekränkt sind. Passt ihnen etwas nicht oder fühlen sie sich abgewertet, werden sie wütend. Ghosting kann dann als manipulative Bestrafung ihres Gegenübers genutzt werden.

Zudem gibt es sogenannte “gleichgültige Bindungsvermeider:innen”. Sie haben wenig bis gar keine Empathie und machen es sich einfach bequem, indem sie sich nicht mal die Mühe machen, eine Erklärung für den Kontaktabbruch abzugeben.

Ghosting muss jedoch nicht immer böswillig geschehen: Manchen Menschen ist nicht bewusst, was sie mit ihrem Verhalten beim Gegenüber auslösen; andere sind schlichtweg zu faul, um eine Erklärung für ihr Verhalten abzugeben.

Ghosting:
Wie reagieren wir?

Es kann ziemlich wehtun, plötzlich nichts mehr von einer Person zu hören, die man gern hat. Geghostet zu werden, bedeutet gleichzeitig auch Kontrollverlust. Zusätzlich drehen sich die Gedanken im Kreis und das Grübeln geht los: “Wieso meldet er oder sie sich nicht mehr? Habe ich etwas Falsches gesagt oder getan?”

Dies hat mit unserem Selbstwertgefühl zu tun. In der Kindheit lernen wir, dass unser Selbstwert uns von unseren Eltern und anderen Personen, die uns umgeben, gespiegelt wird. So fallen wir, wenn wir geghostet werden, auf das Gefühl herein, dass das Verhalten der Person ein Maßstab dafür ist, was wir wert sind. Wir sind dann also geneigt zu denken, wir seien nicht genug oder geben uns gar selbst die Schuld dafür, dass die Beziehung auf diese Weise geendet hat.

Wichtig ist es hier, sich bewusst zu machen, dass der eigene Wert nicht durch andere Menschen bestimmt wird. Zudem sollte man sich sagen: “Selbst, wenn ich irgendwas getan oder gesagt haben sollte, was die andere Person verletzt hat und sie dazu verleitet hat, sich mir gegenüber so zu verhalten, dann ist sie mir wenigstens schuldig, das zu erklären!” Eine Erklärung kann nämlich eine gewisse Erleichterung bedeuten und ein wenig Kontrolle zurückgeben. Oft wird es aber nicht hilfreich sein, einer Person, die uns ghostet, hinterherzulaufen: 100 Nachrichten schreiben, die unbeantwortet bleiben, oder immer wieder anzurufen, gibt unserem Selbstbewusstsein nur einen weiteren Tritt in den Allerwertesten.

Ebenso können wir uns darüber bewusst werden, ob wir überhaupt eine Beziehung mit einer Person hätten eingehen wollen, die derart mit Problemen und Konflikten umgeht. Spoiler Alert: Die Antwort lautet “Nein!”. Vielleicht werden wir dann feststellen, dass wir die Person auch nur idealisiert haben.

Als praktische Übung kann es außerdem helfen, sich bildlich vorzustellen, eine Glaswand zwischen uns selbst und die Person, die uns verletzt hat, zu schieben. Die Verantwortung und Schuld für die Art des Beziehungsendes gehört nur zur Person auf der anderen Seite der Glasscheibe. Mit unserem eigenen Wert hat es nichts zu tun. So lässt sich der eigene Selbstwert bildlich vom Fehlverhalten der anderen Person abkoppeln. Schließlich sollten wir uns ablenken und Dinge tun, die uns Spaß machen, die gut tun und den Selbstwert stärken.

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