Der Begriff “toxische Beziehung” ist momentan in aller Munde. Aber wann kann man wirklich von einer toxischen Beziehung sprechen? Woran lässt sie sich erkennen und wie merken wir, ob wir vielleicht selbst in einer solchen Beziehung stecken?
Nicht jede Beziehung, die gerade schlecht läuft oder in der ein:e Partner:in unglücklich ist, ist auch direkt toxisch. Toxische Beziehungen sind oft von
Lügen und Manipulation geprägt und fühlen sich wie eine Achterbahnfahrt an – es ist ein Wechselspiel zwischen heiß und kalt. In solchen Beziehungen stehen sich oft ein bindungs- und ein verlustängstlicher Part gegenüber. Wer Täter und wer Opfer ist, lässt sich allerdings nicht immer so leicht feststellen.
Streit und Diskussionen sind in jeder Beziehung normal und wichtig. Woran lässt sich dann aber erkennen, dass eine Beziehung toxisch ist? Besonders an der toxischen Beziehung ist, dass ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht, ein:e Partner:in also sehr dominant ist und die Beziehung bestimmt, während sich der oder die andere eher unterordnet. Insbesondere bei den folgenden Merkmalen sollte man hellhörig werden:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
1
Der oder die dominante Partner:in überschüttet die andere Person mit Zuneigung. Schon nach den ersten beiden Treffen prasseln die tollsten Komplimente, gemeinsame Zukunftspläne oder große Geschenke auf sie ein. Der oder die dominante Partner:in schenkt dem Gegenüber die ungeteilte Aufmerksamkeit.
2
Es geht alles sehr schnell. Man hat sich gerade erst kennengelernt und ist im Vergleich zur letzten Beziehung schon zehn Schritte weiter. Die Beziehung wird also blitzschnell vorgespult. Man fühlt sich seelenverwandt und glaubt, den perfekten Match gefunden zu haben.
3
Der Partner oder die Partnerin macht uns regelrecht verrückt. Er oder sie behauptet Dinge, die wir angeblich gesagt und getan haben, die allerdings nie wirklich stattgefunden haben, oder spricht uns unsere Gefühle ab. Gaslighting führt zu Desorientierung und einer verfälschten Wahrnehmung der Realität.
4
Der oder die Partner:in macht große Versprechungen, die die Zukunft betreffen, ohne zu beabsichtigen, diese jemals umzusetzen. Es werden Erwartungen an eine gemeinsame Zukunft geschürt, die wohl nie erfüllt werden. Das kann kleinere Dinge wie einen Urlaub, aber auch große Lebensveränderungen wie einen angeblich bald anstehenden Heiratsantrag oder das Zusammenziehen betreffen.
5
Egal, was man tut – wie sehr man versucht, alles richtig zu machen und die Beziehung aufrechtzuerhalten – ist es doch bei jedem Streit oder jeder Diskussion am Ende das gleiche: Man ist immer selbst an allem Schuld. Der Partner oder die Partnerin kann sehr geschickt darin sein, dem Gegenüber immer wieder die Schuld zuzuschieben.
6
Die eigenen Bedürfnisse und Ansprüche innerhalb der Beziehung werden nicht berücksichtigt. Wenn eigene Wünsche geäußert werden, werden diese weder ernstgenommen noch erfüllt. Kompromisse – die für eine gesunde Beziehung essentiell sind – sind nicht möglich. Der oder die dominante Partner:in gibt sämtliche Regeln vor.
Diese Beziehungen werden “toxisch” genannt, weil sie eine drogenähnliche Wirkung zur Folge haben können. Der Grund: Dopamin, ein Glückshormon und Neurotransmitter. Die übermäßige Zuwendung der dominanten Person führt – ähnlich wie eine Droge – zu einem verhältnismäßig langen und intensiven Dopaminrausch. Der wiederum löst eine Art Sucht aus – man will mehr von der Zuneigung und dem Glücksgefühl, das diese in einem bewirkt. Dieses suchtähnliche Gefühl macht es extrem schwierig, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen.
Durch die hohe Dopaminausschüttung wird die Verliebtheitsphase länger aufrechterhalten, während in gesunden Partnerschaften irgendwann andere Neurotransmitter wie Oxytocin das Ruder übernehmen und sich so ein Grundgefühl von Sicherheit und Stabilität einstellt.
In der toxischen Beziehung wechseln sich überschießende Zuneigung und Schuldzuweisungen bzw. Abwertungen durch die dominante Person ohne ersichtliche Erklärung ab. Dieser Prozess nennt sich “intermittierende Verstärkung” und sorgt dafür, dass das Gegenüber die Gründe für die Auf und Abs bei sich selbst sucht. Es sieht sich also als verantwortlich für den Verlauf der Beziehung.
Trennungen sind nie leicht. Sich aus toxischen Beziehungen zu lösen, ist aber aus mehreren Gründen besonders schwierig. Das liegt zum einen daran, dass durch die fehlende Dopaminausschüttung nach der Trennung regelrechte Entzugserscheinungen auftreten können. Häufig reagiert die dominante Person auf eine angedrohte Trennung außerdem mit der Zusicherung von Veränderungen und mit Zuneigung, so dass man leicht dazu geneigt ist, ihr noch eine weitere Chance zu geben. So kommt es vor der endgültigen Trennung oft zu On-off-Phasen.
Um aus einer toxischen Beziehung aussteigen zu können, muss man also bewusst raus aus der Abhängigkeit und hinein in die Selbstständigkeit kommen wollen. Wichtig ist, dass wir uns selbst entschulden – also die Last der Schuld und Verantwortung am Ausgang der Beziehung von den eigenen Schultern nehmen. Denn wenn wir glauben, an der zerrütteten Beziehung schuld zu sein, glauben wir auch, dass wir sie wieder zu einem Happy End umkehren können. Deshalb ist es wichtig, herauszukommen und zu erkennen, was uns guttut und uns dementsprechend für unsere Bedürfnisse einzusetzen.
Menschen, die sich zum wiederholten Male in einer solchen Beziehung wiederfinden, haben häufig einen geringen Selbstwert. Wer nämlich innerlich der Überzeugung ist, nicht genug wert zu sein, ist besonders auf die Bestätigung von außen angewiesen. Dieser Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung bleibt in einer toxischen Beziehung jedoch meist ungehört. Wollen wir also unseren Selbstwert stärken, müssen wir zunächst aus dem Beziehungsmuster ausbrechen.
Natürlich sprechen wir im Zusammenhang mit toxischen Beziehungen oft vom Partner oder der Partnerin. Gibt es diese Art von Beziehung, aber auch im Freundeskreis oder in der Familie? Die einfache Antwort ist: Ja! Nur weil man blutsverwandt ist, heißt das nicht, dass man sich dem oder den anderen gegenüber nicht toxisch verhalten kann.
Das Problem: Bei Menschen, mit denen wir verwandt sind, sind wir noch stärker dazu geneigt, ihnen immer wieder neue Chancen zu geben. Aber auch Beziehungen in der Familie und im Freundeskreis können durch toxisches Verhalten sehr belastend sein. Auch hier muss unter Umständen also darüber nachgedacht werden, zum Schutz der eigenen Bedürfnisse den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren oder sogar ganz abzubrechen.
Wer immer wieder in toxischen Beziehungen landet, weiß manchmal gar nicht, wie gesunde Beziehungen überhaupt aussehen. Gute und gesunde Beziehungen basieren auf ehrlichem Austausch und vereinen Freundschaft und Leidenschaft. Man sollte ein Grundgefühl von Stabilität und Sicherheit vermittelt bekommen, ohne ständig Angst vor Ablehnung und Verlassenwerden haben zu müssen. Auch wenn gelegentliche Streits und Diskussionen dazu gehören, sollte am Ende des Tages eine Bereitschaft bestehen, Kompromisse einzugehen, gemeinsam an Dingen zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen.
Beziehungen sind der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Wünschst du dir ein harmonisches Miteinander, aber gleichzeitig auch, besser für dich und deine Bedürfnisse einzustehen? Dann könnte der Online-Kurs „Beziehungen auf Augenhöhe“ von der Stefanie Stahl Akademie genau das Richtige für dich sein. Lerne auch in schwierigen Situationen, gleichberechtigt zu kommunizieren. Hier findest du weitere Informationen zum Kurs: