Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann mach Limonade draus – Was ist toxische Positivität?

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 25.10.2023

Gefühle sind nicht negativ, sondern unangenehm!

In der Psychologie wird nicht von positiven oder negativen Gefühlen gesprochen. Anstelle dessen werden sie als angenehme und unangenehme Gefühle bezeichnet. Denn Gefühle sind nicht einfach gut oder schlecht, sie erfüllen immer einen Zweck. Gefühle dienen dazu, uns auf unsere Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Angenehme Gefühle wie Freude lassen uns spüren, dass unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Wohingegen unangenehme Gefühle wie Wut und Trauer uns zeigen, dass unsere Bedürfnisse vernachlässigt werden. So sind Gefühle keine Gegensätze, sondern Teil eines Kontinuums, das uns Hinweise zu unseren eigenen Bedürfnissen gibt.

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Was bedeutet Toxische Positivität?

Toxische Positivität ist ein Begriff, der verwendet wird, um ein bestimmtes Verhaltensmuster zu beschreiben. Er bezieht sich auf die Tendenz, positive Emotionen und Gedanken über alles andere zu stellen und unangenehme Gefühle und Erfahrungen zu unterdrücken oder zu vermeiden. Dieses Verhalten kann negative Folgen für die psychische Gesundheit haben, da es dazu neigt, Emotionen und Probleme herunterzuspielen und zu verdrängen. Toxische positive Sätze wie „Denk positiv!“ oder „Positive Vibes Only“ vermitteln den Eindruck, dass das Zeigen von Unzufriedenheit oder das Ausdrücken von Sorgen inakzeptabel ist. 

Gibt es vielleicht ein paar Sätze, die dir bekannt vorkommen? „Anderen geht es viel schlechter als dir”, „In Afrika verhungern Kinder“, „Sieh nicht alles so negativ“, „Es gibt Schlimmeres“, „Jede Krise ist eine Chance“, „Das ist ein Luxusproblem“….

Toxische Positivität in den sozialen Medien

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Besonders in den sozialen Medien ist dieses Phänomen weit verbreitet. Auf Plattformen wie Instagram und Facebook neigen Menschen dazu, nur die besten Momente ihres Lebens zu teilen. Dadurch kann der Eindruck erweckt werden, dass andere immer glücklich sind. Dies kann den Druck erhöhen, dasselbe zu erreichen, und dazu führen, dass Menschen ihre wahren Gefühle verbergen. Die ständige Betonung von Positivität kann dazu führen, dass sich Menschen unverstanden und isoliert fühlen, da sie denken, dass sie die Einzigen sind, die mit Problemen konfrontiert sind.

Um mit toxischer Positivität auf sozialen Medien umzugehen, ist es wichtig, sich der Auswirkungen bewusst zu sein und zu versuchen, eine ausgewogenere Darstellung des Lebens zu fördern. Dies kann bedeuten, gelegentlich über Herausforderungen zu sprechen und sich selbst sowie anderen zu erlauben, authentisch mit den eigenen Erfahrungen umzugehen. Es ist auch hilfreich, sich bewusst Offline-Zeit zu nehmen, um sich auf die realen Beziehungen und Emotionen zu konzentrieren.

Toxische Positivität kann verschiedene negative Auswirkungen haben.

Studien zeigen, dass negative Emotionen zu unterdrücken sie vermehren kann, statt sie zu reduzieren. Indem unangenehme Gefühle ignoriert werden, wird einem die Chance genommen, sie zu verstehen und damit einen gesunden Umgang zu finden. Das ständige Streben nach Glück kann uns frustrieren und unser Unglück verstärken, da wir enttäuscht werden können, wenn die erwarteten Glücksgefühle nicht eintreten. Hinter toxischer Positivität steht eine Menge Druck, ständig glücklich zu sein. Da wir natürlich nicht in der Lage sind, ständig „positiv“ zu sein, können Gefühle von Scham und Unzulänglichkeit entstehen. Zusätzlich kann toxische Positivität zur Verleugnung von echten Problemen führen. Anstatt Probleme anzugehen, wird toxische Positivität verwendet, um sie zu verharmlosen oder zu ignorieren. Toxische Positivität kann zu einer Oberflächlichkeit führen, bei der echte Gefühle und Bedürfnisse nicht ausgedrückt werden. Dadurch verlieren wir unsere Authentizität und den Zugang zu unseren Bedürfnissen. Personen, die immer wieder ihre unangenehmen Gefühle unterdrücken, können Schwierigkeiten haben, sich in ihren Beziehungen authentisch auszudrücken und ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Dies kann zu Konflikten und Missverständnissen führen.

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Positive Psychologie vs. Toxische Positivität

Die positive Psychologie ist eine Strömung der Psychologie, die sich mit der Erforschung und Förderung menschlichen Wohlbefindens und Glücks auseinandersetzt. Erstmals verwendet wurde dieser Begriff von dem Psychologen Abraham Maslow in den Mit-Fünfzigern. Durch den Psychologen Martin Seligman wurde die positive Psychologie in den 1990er Jahren populär. Im Gegensatz zur traditionellen Psychologie, die oft auf die Diagnose und Behandlung von psychischen Störungen und Problemen ausgerichtet ist, legt die positive Psychologie den Schwerpunkt auf das Verständnis von Faktoren, die zu Wohlbefinden, Glück und einer erfüllten Lebensqualität beitragen. Der Unterschied zwischen toxischer Positivität und positiver Psychologie liegt darin, wie sie mit unangenehmen Gefühlen umgehen. Die positive Psychologie versucht das Wohlbefinden zu fördern und ermutigt gleichzeitig die Akzeptanz und einen gesunden Umgang mit unangenehmen Gefühlen, anstatt sie zu verdrängen. Das Verdrängen von Gefühlen kann zu Stress, Angstzuständen und Depressionen führen. Unverarbeitete Emotionen können sich im Laufe der Zeit aufstauen und zu ernsthaften psychischen Problemen führen. Nur die Gefühle, die da sein dürfen, dürfen auch wieder gehen.

Wie kannst du damit umgehen, wenn du dazu neigst, Gefühle zu verdrängen?

Akzeptanz und Authentizität sind Schlüsselkonzepte der positiven Psychologie. Akzeptanz meint, negative Gefühle anzuerkennen und wertfrei zuzulassen. Das kann dazu beitragen, sich schneller davon zu erholen. Authentizität, also „man selbst zu sein“, steht Studien zufolge im Zusammenhang mit einem gesteigerten Wohlbefinden. 

Meditation und Achtsamkeit zu praktizieren kann dabei helfen, Emotionen wertfrei wahrzunehmen und im gegenwärtigen Moment zu leben. 

Nimm dir die Zeit, um deine Emotionen zu erkunden. Du kannst dich immer wieder fragen, welche Bedürfnisse hinter deinen Gefühlen stehen. Beispielsweise könnte Wut entstehen, weil du dich ungerecht behandelt fühlst. Frage dich “Was brauche ich gerade?”.  So hast du die Möglichkeit, Selbstmitgefühl zu zeigen. Diese Eigenschaft kann dabei helfen, dich selbst besser zu akzeptieren und mit dir mitfühlend umzugehen.

Wenn du merkst, dass du Probleme damit hast, Gefühle zuzulassen und vielleicht sogar traumatische Erfahrungen verdrängst, kannst du jederzeit professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. 

Geht Optimismus ohne toxische Positivität?

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Wenn beispielsweise dein Umfeld eine negative Sicht auf die Welt hat und du dir mehr Optimismus wünscht, ist das nachvollziehbar. Schließlich zeigen Studien, dass Optimismus zu einem erhöhten Wohlbefinden führt. Du kannst diesen Wunsch offen kommunizieren, ohne anderen ihre Gefühle abzusprechen. 

Je nachdem, um welches Problem es sich handelt, kannst du deine unangenehmen Gefühle anerkennen und gleichzeitig überlegen, was dir in dieser Situation helfen könnte, manchmal kann eine optimistische Betrachtung deiner Situation helfen. Um eine generell optimistische Haltung einzunehmen, hilft es, Dankbarkeit auch für die kleinen Dinge im Leben zu entwickeln, ohne andere Gefühle abzuwerten. 

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie du andere auf toxische Positivität hinweisen kannst. Du könntest zum Beispiel sagen: Ich finde es gut, dass wir versuchen, auch die positiven Seiten der Situation zu sehen, trotzdem finde ich es wichtig, anzuerkennen, dass das wirklich eine blöde Situation ist und die Frustration nachvollziehbar und berechtigt ist“.

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Fazit: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann darfst du auch mal sauer sein!

Gefühle sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Menschseins. Sie erfüllen den wichtigen Zweck, uns auf unsere Bedürfnisse hinzuweisen. Toxische Positivität, die das Unterdrücken unangenehmer Gefühle fördert, kann eben diese verstärken und weitere problematische Folgen haben. Statt auf Krampf glücklich sein zu wollen, sollten wir uns bemühen, einen Zugang zu unseren Emotionen zu finden, sie zuzulassen und zu verarbeiten. Nur so kann Authentizität gelebt und eine gesunde psychische Verfassung gefördert werden.

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