Was ist Egoismus?

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 14.11.2023

Das Wort Egoismus ist kein psychologischer Fachbegriff, sondern in der Alltagssprache gebräuchlich. Es beschreibt Menschen, die stark auf ihre eigenen Interessen fokussiert sind, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer zu nehmen oder sogar deren Leiden bewusst in Kauf nehmen. Es ist eine Ich-bezogene und rücksichtslose Haltung, die in unterschiedlicher Intensität auftreten kann – von situationsabhängigem Verhalten bis hin zu Persönlichkeitsstörungen. Synonyme dafür sind Selbstbezogenheit und Eigennützigkeit, im Gegensatz zum altruistischen oder selbstlosen Verhalten. 

In der Psychologie spricht man nicht von „Egoisten“, sondern von egoistischen Handlungen oder dem Komplex des „Egoismus“. Verwandt ist der Begriff des Egozentrismus, der eine selbstbezogene Wahrnehmung beschreibt. Egozentrische Menschen nehmen die Welt als auf sie bezogen wahr und haben Schwierigkeiten, die Perspektive ihrer Mitmenschen einzunehmen und sich in sie hineinzuversetzen.

Der Psychologe Jean Piaget prägte den Begriff des Egozentrismus, indem er ein normales Entwicklungsstadium bei Kindern beschrieb. Säuglinge und Kleinkinder haben noch keine klare Vorstellung von einer abgegrenzten individuellen Identität und nehmen daher die gesamte Welt ausschließlich aus ihrer eigenen Perspektive und auf sich bezogen wahr. Mit zunehmendem Alter lernen Kinder, dass es andere Menschen wie sie gibt, die ihre eigenen Gedanken und Gefühle haben.

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Wie viel Egoismus ist “normal”?

Die Frage, ob der Mensch eher ein Egoist oder ein Altruist ist, beschäftigt nicht nur Philosophen, sondern auch Psychologen. Aus psychologischer Sicht ist es schwierig, absolut zu behaupten, dass der Mensch eindeutig das eine oder das andere ist. Wir Menschen zeigen Neigungen zum Egoismus und besitzen gleichzeitig von Natur aus empathische Fähigkeiten, die uns zu kooperativem Handeln und Selbstkontrolle befähigen.

Wie stark diese Verhaltensweisen ausgeprägt sind und wie sich egoistisches oder kooperatives Handeln konkret äußert, hängt von genetischen Faktoren sowie der Sozialisierung ab. Die Erziehung und der kulturelle Kontext spielen eine bedeutende Rolle. In manchen Kulturen wird beispielsweise ein stärkerer Egoismus bei Männern im Vergleich zu Frauen gefördert.

Egoistisches Verhalten erfüllt evolutionär betrachtet sowohl für die menschliche Spezies als auch für das Überleben des Einzelnen eine Funktion. In Situationen, in denen grundlegende biologische Bedürfnisse bedroht sind – wie Hunger oder die Bedrohung der eigenen Nachkommen – reagieren Menschen instinktiv eigennützig. Sie greifen zum letzten Stück Brot oder verteidigen ihre Nachkommen auf jede erdenkliche Weise.

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Sind Menschen also von Natur aus Egoisten?

Es wäre zu einfach zu behaupten, dass Menschen von Natur aus ausschließlich Egoisten sind. Neben egoistischen Neigungen verfügen wir auch über die Veranlagung von prosozialem Verhalten. Prosoziales Verhalten beschreibt Handlungen, die darauf abzielen, anderen zu helfen oder ihr Wohlergehen zu fördern, ohne dabei unmittelbar eigene Vorteile zu suchen. Es beinhaltet Handlungen wie Unterstützung, Teilen, Altruismus und kooperatives Verhalten, die zum Nutzen anderer Menschen oder der Gesellschaft insgesamt ausgeführt werden. Dieses Verhalten wird oft aus Empathie, Mitgefühl oder dem Wunsch heraus, anderen zu helfen, praktiziert, unabhängig von persönlichem Gewinn. Evolutionär gesehen kann prosoziales Verhalten einen kollektiven Vorteil bieten, beispielsweise bei der Nahrungssuche, Verteidigung und Betreuung der Nachkommen. Prosoziales Verhalten beinhaltet empathische Fähigkeiten und Selbstkontrolle. Empathie ermöglicht es uns, die Perspektive anderer zu verstehen und ihre Gefühle nachzuempfinden. Selbstkontrolle wiederum erlaubt es, eigene Impulse zu überdenken und zurückzustellen, um langfristige gemeinschaftliche Ziele zu fördern, wie beispielsweise das Teilen von Ressourcen zur Stärkung sozialer Bindungen.

Warum handeln manche Menschen egoistisch und wenig sozial, wenn sie doch für Empathie und Bindung ausgestattet sind?

Es ist wichtig, zwischen egoistischem Verhalten als vorübergehende Reaktion auf bestimmte Situationen und Egoismus als dauerhafte Persönlichkeitseigenschaft zu differenzieren. Egoismus kann ansteckend sein, besonders in sozialen Kontexten wie wettbewerbsorientierten Arbeitsumgebungen, in denen bereits eine einzige egoistische Person die gesamte Dynamik beeinflussen kann. Der dahinter liegende Mechanismus scheint zu sein, dass egoistisches Verhalten von einer Person die Befürchtung in anderen auslöst, benachteiligt zu werden oder nicht gerecht behandelt zu werden. Dies führt zu einem Verlust des Vertrauens in kollektive Interessen und veranlasst Einzelpersonen, ihre eigenen Vorteile zu suchen, um nicht benachteiligt zu werden. Ein gestörtes Vertrauen in die Mitmenschen ist ein bedeutender Faktor bei solchen Entwicklungen.

Laut dem amerikanischen Psychologen Robert Sutton können Schlafmangel, Stress, Druck und das Vorhandensein anderer egoistischer Personen in der Umgebung dazu beitragen, dass Menschen selbstbezogenes oder unsympathisches Verhalten zeigen. Dies wird verstärkt, wenn rücksichtsloses Verhalten als akzeptabel angesehen wird, sei es durch Vorbilder wie Chefs oder Eltern.

Obwohl wir alle in bestimmten Situationen potenziell egoistisch handeln können, bleibt die Frage bestehen, warum manche Menschen konstant und in großem Maße rücksichtslos und selbstbezogen agieren.

Was zeichnet konstant egoistisch handelnde Menschen aus?

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Menschen, die stark von Egoismus geprägt sind, zeigen häufig einen Mangel an Empathie und Schwierigkeiten, die Perspektive anderer einzunehmen. Ebenso fehlt ihnen die Fähigkeit, ihre eigenen Handlungen zu reflektieren und egoistische Impulse zu kontrollieren. Infolgedessen fällt es ihnen schwer, die Interessen anderer angemessen zu erkennen und in ihre Handlungen einzubeziehen.

In zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen sie ein unausgewogenes Geben und Nehmen, nehmen mehr als sie geben, sei es Zeit, Hilfe oder Aufmerksamkeit. Sie beharren auf ihren eigenen Ansichten und sind wenig kompromissbereit, indem sie hartnäckig ihre eigenen Interessen durchsetzen. Oft bemerken sie nicht, wie es ihrem Gegenüber dabei geht.

Sie empfinden schnell, dass ihr Freiraum eingegrenzt wird oder dass sie von anderen manipuliert oder ausgenutzt werden könnten. Daher reagieren sie empfindlich auf die Erwartungen und Forderungen anderer und setzen häufig zu strikte Grenzen, um sich selbst zu schützen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Egoismus und Persönlichkeitsstörungen?

Narzissmus und Egoismus sind zwei Begriffe, die sich auf selbstbezogene Verhaltensweisen beziehen, jedoch unterscheiden sie sich in ihren Merkmalen und Ausprägungen. Egoismus bezieht sich im Allgemeinen auf eine selbstbezogene Einstellung, in der eine Person stark auf ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen fokussiert ist und möglicherweise weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nimmt. Egoistisches Verhalten kann situativ sein und resultiert aus einem starken Streben nach eigenen Vorteilen, ohne zwangsläufig das Verlangen zu haben, andere zu dominieren oder zu manipulieren.

Egoismus ein Aspekt von verschiedenen Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus, Psychopathie und Sadismus. Nicht alle egoistisch geprägten Menschen leiden an einer Persönlichkeitsstörung. 

Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung liegt eine andauernde und grundlegende Störung des Selbstwertgefühls zugrunde. Dabei wird oft das eigene Selbst innerlich abgelehnt, während sich der Narzisst nach außen übertrieben selbstbewusst gibt. Betroffene haben oft das Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung von anderen Menschen, sie neigen dazu, andere zu dominieren und haben oft Schwierigkeiten, die Perspektive anderer einzunehmen, beziehungsweise Empathie zu empfinden. 

Wo liegt die Grenze zwischen gesundem Selbstschutz oder Selbstfürsorge und problematischem Egoismus?

Nicht alle Verhaltensweisen, die als egoistisch bezeichnet werden, sind tatsächlich egoistisch. Manchmal verwenden wir den Begriff, um notwendige Selbstverteidigung oder gesunde Selbstfürsorge zu diskreditieren. Häufig wird die Anschuldigung des Egoismus genutzt, um Personen dazu zu bringen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Die Anschuldigung, ein Egoist oder eine Egoistin zu sein, kann beschämend wirken. Ironischerweise verwenden Egoisten und Narzissten diesen Vorwurf selbst häufiger, um andere zu dominieren.

Menschen, die überangepasst sind, haben oft Schwierigkeiten, ihre Bedürfnisse zu äußern und für sich selbst einzutreten. Dies kann auf ein geringes Selbstwertgefühl oder Erfahrungen aus der Kindheit zurückzuführen sein, in denen ihre Bedürfnisse nicht beachtet wurden. Sie fühlen sich schnell egoistisch, wenn sie eigentlich berechtigte Forderungen stellen.

Der Unterschied zwischen gesundem Selbstschutz und problematischem Egoismus liegt in der Flexibilität. Personen, die ihre Bedürfnisse artikulieren, aber auch bereit sind, Kompromisse einzugehen, sind nicht zwangsläufig übermäßige Egoisten. Problematisch wird es bei denen, die in festgefahrenen egoistischen Mustern verharren und nicht kompromissbereit sind.Die Grenze zwischen egoistischem Verhalten und angemessener Selbstsorge ist letztlich eine ethische Frage. Es hängt davon ab, was als gerecht betrachtet wird, was jemand verdient oder wann ein Ungleichgewicht akzeptabel ist. Dies ist eng mit gesellschaftlichen und individuellen Normen verbunden, die nur durch offenen Dialog und Verständigung über Werte und Bedürfnisse gelöst werden können.

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Wie kann ich mit egoistischen Menschen umgehen?

Der Umgang mit egoistischen Menschen erfordert verschiedene Strategien. Es beginnt mit der klaren Festlegung eigener Grenzen, Bedürfnisse und Ansprüche, um zu erkennen, ob diese überschritten werden.

Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle. In zwischenmenschlichen Beziehungen ist es wichtig, dem selbstbezogenen Partner das eigene Empfinden durch Spiegelung seines Verhaltens zu verdeutlichen, während gleichzeitig die eigenen Bedürfnisse kommuniziert werden. Mitfühlendes Verhalten ermöglicht es, das zugrunde liegende Bedürfnis des Egoisten zu erkennen und anzuerkennen, wodurch die andere Person ermutigt werden kann, Gefühle auszudrücken.

Für Menschen, die zu angepasstem Verhalten neigen, ist es hilfreich, in konkreten Situationen zu überlegen, ob auftretende Schuldgefühle bei Durchsetzung eigener Interessen gerechtfertigt sind. Die Erinnerung daran, dass gute Kompromisse möglich sind, kann sowohl dir als auch deinem Partner helfen.

Wenn trotz Gesprächen und Bemühungen egoistisches Verhalten in Beziehungen nicht nachlässt, kann es notwendig sein, klare Grenzen zu setzen und gegebenenfalls Abstand zu nehmen, um weiteres Leiden zu vermeiden.

Am Arbeitsplatz ist klare und gegebenenfalls schriftliche Kommunikation mit egoistischen Personen ratsam. Verschiedene Kommunikationsstile können je nach Person effektiv sein: Einzelgespräche oder auch direktere Konfrontationen. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass Beteiligung an Klatsch und Lästereien das Verhalten von egoistischen Menschen verstärken kann. Für den Umgang mit narzisstischen Egoisten ist es oft besser, direkte Konfrontationen zu vermeiden, um keine Energie in solche Konflikte zu investieren. Es kann ratsam sein, Unruhestifter zu umgehen und Dinge direkt mit Kollegen zu klären.

Wenn möglich, ist es ratsam, Abstand von Personen zu halten, die sozial unverträglich oder stark narzisstisch geprägt sind. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass echte Narzisstinnen und Narzissten oft nicht veränderbar sind, um sich selbst unnötiges Leid zu ersparen.

Ich bin egoistisch – Wie kann ich mein Verhalten ändern?

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Warum sollte sich eine Person, die egoistisch ist, überhaupt verändern? Es ist ein paradoxer Gedanke, dass weniger egoistisches Verhalten nicht nur positiv für andere ist, sondern auch für das eigene Wohlbefinden. Eine umfassende Studie aus den USA im Jahr 2020 verdeutlichte, dass schon zwei Stunden pro Woche soziales Engagement das Risiko des Sterbens verringern und die körperliche Fitness verbessern können. Des Weiteren können egoistische Verhaltensweisen Partnerschaften, Beziehungen und das gesamte Umfeld negativ beeinflussen

Für Menschen mit egoistischen Neigungen ist der erste Schritt, die eigenen Verhaltensmuster zu verstehen und zu erkennen, wie häufig die Bedürfnisse anderer missachtet werden.

Es ist wichtig, Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, besonders zu unangenehmen Emotionen wie Angst oder Verletztheit. Indem man lernt, mit den eigenen Emotionen umzugehen, kann man auch anderen mit Empathie begegnen und ihre Perspektiven besser verstehen. Tägliche Meditationsübungen können Eigenschaften wie Mitgefühl, Dankbarkeit und prosoziale Motivation fördern. 

Bei arrogantem Auftreten steht oft ein verletztes inneres Kind im Mittelpunkt. Daher sollten arrogant auftretende Menschen an ihrem Selbstwertgefühl arbeiten, indem sie nach ihrem authentischen Selbst suchen. Zudem sollten sie hinterfragen, welche Glaubenssätze ihr überhebliches Verhalten begleiten und woher diese Überzeugungen stammen. Solltest du den Eindruck haben, dass dein Verhalten so problematisch ist, dass du immer wieder Probleme in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen hast oder befürchtest, nazistische Ausprägungen zu haben, ist es ratsam, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Nur ein Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin ist in der Lage, eine Diagnose zu stellen und individuelle Behandlungsstrategien zu finden.

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