„Ich trinke keinen Alkohol“ – Wer diesen Satz auf einer Party sagt, muss sich danach meist rechtfertigen. Skeptische Blicke, ungläubige Nachfragen und Überredungsversuche à la „Ach komm, einer geht doch!“ sind keine Seltenheit. Hier wird deutlich, wie tief die gesellschaftliche Verankerung der Substanz ist: Alkohol – die legale Droge.
Dabei zeigt ein Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wie gefährlich das vermeintliche Genussmittel sein kann: Jährlich werden weltweit rund drei Millionen Todesfälle auf schädlichen Alkoholkonsum zurückgeführt – das entspricht erschreckenden fünf Prozent aller Todesfälle. Alkohol gilt als einer der wesentlichen Risikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen, darunter Krebs-, Leber-, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Nervenschädigungen. Darüber hinaus trägt er maßgeblich zu Unfällen bei. Deshalb beschäftigen wir uns heute mit der Frage, ab wann Alkohol von einem Genussmittel zur potenziellen Gefahr wird.
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Die Wirkung von Alkohol erreicht nach etwa einer halben Stunde bis Stunde ihr Maximum in unserem Körper, dann ist die Konzentration im Blut am höchsten. Danach baut unser Körper den Alkohol langsam wieder ab, vorausgesetzt es kommt kein Nachschub.
Im Gehirn entfaltet der Alkohol seine berauschende Wirkung. Alkohol wirkt dämpfend auf die Informationsübertragung in unserem Gehirn, indem es die Ausschüttung von hemmenden Neurotransmittern ankurbelt und die Ausschüttung von erregenden Neurotransmittern hemmt. Dadurch entsteht der typische Effekt von Alkohol: Wahrnehmung und Reaktionsvermögen sind verlangsamt. Gleichzeitig beeinflusst Alkohol unsere “Glückshormone” wie Serotonin und Dopamin und macht uns dadurch unter anderem ausgelassener, entspannter und motivierter.
Kurzfristig klingt das erstmal gut: Unter Alkohol fallen die Hemmungen und wir fühlen uns wohl. Und genau darin liegt die Gefahr des Suchtmittels. Kurzfristig hat Alkohol einen positiven Effekt auf uns und so kann ein Teufelskreis der Abhängigkeit entstehen. Langfristig kann übermäßiger Alkoholkonsum erheblichen Schaden anrichten. Neben den physischen Auswirkungen auf den Körper beeinträchtigt Alkohol auch die psychische Gesundheit. Übermäßiger Konsum kann psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen auslösen oder verschärfen.
Eine Alkoholsucht liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
1.
Ein intensiver Wunsch oder Drang, Alkohol zu konsumieren, der schwer zu kontrollieren ist.
2.
Mangelnde Kontrolle über den Beginn, das Ende und die Menge des Alkoholkonsums.
3.
Das Auftreten von Entzugssymptomen, wenn der Konsum unterbrochen wird, oder die Vermeidung von Entzugssymptomen durch fortgesetzten Konsum.
4.
Die Notwendigkeit einer höheren Dosis von Alkohol, um den gleichen Effekt zu erzielen.
5.
Die Vernachlässigung von Hobbys, sozialen Aktivitäten oder anderen Interessen aufgrund des übermäßigen Alkoholkonsums.
6.
Fortgesetzter Alkoholkonsum trotz klarer Hinweise auf negative körperliche, psychische oder soziale Folgen.
Es lassen sich zwei Arten der Abhängigkeit unterscheiden: körperliche und psychische Abhängigkeit. Körperliche Abhängigkeit äußert sich zum Beispiel durch Entzugserscheinungen wie Zittern, Schweißausbrüche, Unruhe, Magenkrämpfe und durch eine Toleranzentwicklung. Man gewöhnt sich an die Mengen des Stimulus; so, wie man sich z.B. an die Menge Kaffee gewöhnt, die man morgens konsumiert. Mit der Zeit braucht man immer mehr, um die gleichen Effekte zu erzielen.
Psychische Abhängigkeit äußert sich zum Beispiel durch Craving, Depression, Angstzustände, Gereiztheit, Aggressivität, Vernachlässigung anderer Aktivitäten und Fortsetzung des Konsums wider besseren Wissens.
Eine körperliche Abhängigkeit ist in der Regel gut behandelbar. Es besteht die Annahme, dass eine psychische Abhängigkeit nicht vollständig reversibel ist. Dennoch besteht die Möglichkeit, abstinent zu werden und damit nicht mehr als krank zu gelten. Mit professioneller Hilfe, therapeutischer Unterstützung und geeigneten Bewältigungsstrategien können Menschen mit psychischer Abhängigkeit lernen, mit ihren Herausforderungen umzugehen und eine stabilere Lebensweise zu erreichen.
Wenn eine nahestehende Person von einer Sucht betroffen ist, stellt dies oft eine erhebliche Belastung für das Umfeld dar. Unabhängig davon, ob die betroffene Person ihre Sucht selbst als belastend empfindet. Es ist von großer Bedeutung, die Sucht als selbstschädigendes Verhalten zu erkennen. Dies kann in uns einerseits eine starke Sorge um die betroffene Person und ihr Wohlbefinden hervorrufen, andererseits jedoch ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht auslösen. Oft besteht der Wunsch, der betroffenen Person zu helfen. Hier ist ganz wichtig: Dieser Weg muss nicht alleine begangen werden. Es gibt zahlreiche professionelle Unterstützungsangebote im Bereich Sucht, sowohl für die betroffene Person als auch für ihr Umfeld. Es kann auch hilfreich sein, das eigene Bedürfnis nach Kontrolle über das Gefühl der Hilflosigkeit zu verstehen und zu reflektieren. Letztendlich geht es auch darum, zu akzeptieren, dass die Verantwortung für das Verhalten der anderen Person nicht von einem selbst übernommen werden kann. Das Setzen der eigenen Grenzen spielt in dem Zusammenhang eine wichtige Rolle, genauso wie einen Weg zu finden, wie wir konstruktiv mit unseren eigenen Emotionen und Reaktionen umgehen können. Das Ziel ist, einerseits unterstützend zu sein, andererseits aber auch für unser eigenes Wohlbefinden sorgen zu können.
Der erste Schritt aus der Sucht ist die eigene Einsicht, ein Alkoholproblem zu haben. Wenn du dich selbst testen willst, können folgende 10 Fragen sinnvoll sein:
All diese Fragen helfen dir, deinen Alkoholkonsum zu reflektieren. Nicht alle Fragen müssen auf dich zutreffen und dennoch kann ein missbräuchlicher Alkoholkonsum vorliegen. Eine Abhängigkeit von Alkohol kann viele unterschiedliche Formen annehmen. Selbstreflexion ist ein erster, aber nicht der einzige Schritt. Wenn du Bedenken hinsichtlich deines Alkoholkonsums hast oder glaubst, ein Problem zu haben, ist es immer ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Gespräch in einer Suchtberatungsstelle, einer psychotherapeutischen Praxis oder einer Klinik kann dazu beitragen, eine genaue Einschätzung vorzunehmen und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten zu besprechen.
Hier ist der Link zur deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Vielleicht könnt ihr hier erste Hilfsmöglichkeiten finden: https://www.dhs.de/service/suchthilfeverzeichnis
Der Entschluss, den Konsum zu beenden, bildet die Grundlage für den Weg aus der Sucht. Wichtig ist jedoch: Eine Abhängigkeit resultiert nicht aus einem Mangel an Willenskraft, sondern entsteht durch Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns. Das Gehirn verknüpft bestimmte Wahrnehmungen, Gefühle und Reize mit der Rauschwirkung, was starkes Suchtverlangen auslösen kann. Im Alltag gibt es viele sogenannte Auslöser. Das kann zum Beispiel eine bestimmte Freundesgruppe oder ein Ort sein. Mit professioneller Unterstützung können Strategien erlernt werden, um diese Reize zu identifizieren und damit umzugehen.
Das Hauptziel der Suchttherapie ist die Erreichung lebenslanger Abstinenz. Der Therapieverlauf gliedert sich in verschiedene Phasen:
1.
Die erste Etappe einer Suchttherapie beginnt mit der Kontaktaufnahme zu einer Beratungsstelle oder Klinik. In dieser Phase und während des gesamten Therapieverlaufs ist die individuelle Motivation der betroffenen Person entscheidend.
2.
Hier steht die körperliche Entgiftung von der substanzbezogenen Abhängigkeit im Vordergrund. Der Entzug kann körperliche Folgen wie Zittern, Schlafstörungen, Übelkeit und möglicherweise ernste Symptome wie Halluzinationen und Krampfanfälle mit sich bringen und erfolgt daher oft stationär in einer Klinik. Es wird unterschieden in:
Nach dem Entzug benötigt die Patientin oder der Patient meist weiterhin starke Unterstützung. Diese kann in Form einer ambulanten Nachbetreuung für einige Monate oder in einer längeren Entwöhnungstherapie erfolgen.
3.
In dieser Phase werden Bewältigungsstrategien erlernt, um mit den psychischen und sozialen Aspekten der Sucht umgehen zu können. Es geht darum, ein Leben ohne Suchtmittel (wieder) zu erlernen.
4.
Die Nachsorge ist entscheidend für die langfristige Stabilität und Rückfallprävention. Hier wird eine Wiedereingliederung in den Alltag unterstützt. Zusätzlich gibt es eine medikamentöse Rückfallprophylaxe.
Ein häufiger Effekt während des Alkoholentzugs ist die Euphorie, die eintritt, wenn man erfolgreich nüchtern wird. In diesen Momenten mag es verständlich sein, sich wenig mit den möglichen Gründen für den Konsum zu beschäftigen, da die Erleichterung über das Erreichen der Abstinenz im Vordergrund steht. Für langfristigen Erfolg ist eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Auslösern und Gründen des Konsums jedoch entscheidend. Möglicherweise hat der Alkohol einen bedeutenden Teil des Lebens eingenommen und es ist wichtig, diesen Raum nun mit neuen, gesunden Aktivitäten und Interessen zu füllen. Auch wenn der Weg oft aussichtslos erscheinen mag, lohnt es sich, immer wieder aufzustehen und weiterzugehen. Die Entscheidung, sich vom Alkoholkonsum zu befreien, ist ein kraftvoller Akt der Selbstliebe und des Mutes. Rückschläge können Teil des Weges sein und sollten nicht als Niederlagen, sondern als Lektionen gesehen werden. Gib dir selbst immer wieder die Chance für einen Neuanfang – du bist es wert.