Red Flags erkennen: Bin ich in einer toxischen Freundschaft?

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 17.04.2024

Gemeinsam durch dick und dünn: Gute Freundschaften machen das Leben einfach schöner. Die Wissenschaft zeigt uns, dass gute Freundschaften mit einem niedrigeren Stressniveau, verbesserter psychischer Gesundheit und sogar einer längeren Lebensdauer in Verbindung gebracht werden. Leider verwandeln sich in manchen Fällen die Bande, die uns mit anderen verbinden, in Fesseln, die uns mehr schaden als nützen. Solche Beziehungen werden oft als toxisch bezeichnet. Doch was ist das eigentlich, eine toxische Freundschaft? Und wie erkennt man, ob man selbst in einer gefangen ist?

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Ab wann ist eine Freundschaft toxisch?

Toxisch heißt generell, dass etwas schädlich ist. In zwischenmenschlichen Beziehungen verwendet man den Begriff für Menschen, die andere durch ihr Verhalten permanent schädigen. Das kann bewusst oder unbewusst passieren. Toxisch ist ein starkes Wort, das in den Medien geradezu inflationär genutzt wird. Weniger polarisierend kann man auch einfach von ungesunden Freundschaften sprechen. Und wie erkennt man nun, dass man sich in so einer Freundschaft befindet? Hinweise auf eine ungesunde Freundschaft können die folgenden sein:

Übermäßige Kritik und Abwertungen: Ständige negative Kommentare und Kritik, die das Selbstwertgefühl untergraben, statt es zu fördern. Oft verrät diese Kritik mehr über den Zustand des oder der Kritiker:in als über den der kritisierten Person. Wenn eine Person einen geringen Selbstwert hat, kann sie sich auch schneller angegriffen fühlen. So kann es vorkommen, dass Menschen in eine Verteidigungsposition geraten und andere herabsetzen, um sich selbst besser zu fühlen.

Manipulation und Kontrolle: Versuche, das Verhalten oder die Entscheidungen des Freundes zu kontrollieren, oft versteckt hinter der Maske der Fürsorge, zum Beispiel durch die Erzeugung von Schuldgefühlen, um Verhaltensweisen oder Zugeständnisse zu erzwingen. Eine Form der Kontrolle ist auch der Versuch, die Freundin oder den Freund von anderen wichtigen Beziehungen oder sozialen Kreisen zu isolieren. 

Ungleichgewicht im Geben und Nehmen: Eine Seite gibt ständig, während die andere hauptsächlich nimmt. Besonders deutlich kann das in emotional belastenden Zeiten werden. Dabei fordert die Person viel Unterstützung, wenn es ihr schlecht geht. Gleichzeitig schafft die Person es nicht, die Bedürfnisse der Freund:in zu sehen.

5 Fragen, um deine Freundschaft zu reflektieren

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1

Wie fühlst du dich nach Gesprächen mit dieser Person?

Wenn du dich nach Gesprächen oft schlechter fühlst, kann das ein Hinweis sein, dass dir die Beziehung nicht gut tut. Gute Gespräche sollten in der Regel ein angenehmes Gefühl hinterlassen und dich nicht entmutigen.

2

Kannst du offen und ehrlich deine Meinungen und Gefühle in dieser Freundschaft äußern?

In einer gesunden Freundschaft sollte es möglich sein, Gedanken und Gefühle frei zu teilen, ohne zu viel Angst vor einem Urteil zu haben. Fühlst du dich zurückgehalten, weil du Kritik oder Abwertung fürchtest, kann das auf eine ungesunde Dynamik hindeuten. Es ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, dass unsere Emotionen anerkannt und bestätigt werden. Wenn dies wiederholt nicht geschieht, kann das zu Unsicherheit führen und das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung untergraben.

3

Wie unterstützt dich diese Person in schwierigen Zeiten und welche Erwartungen hat sie, wenn sie selbst Unterstützung benötigt?

Diese Frage betrachtet das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. In einer ausgeglichenen Freundschaft sollten sich beide Seiten in ihren Bedürfnissen und Interessen berücksichtigt fühlen. Dabei kann es natürlich Zeiten geben, in denen ein Ungleichgewicht herrscht, zum Beispiel wenn die Freund:in eine schwere Zeit durchmacht. Wichtig ist, dass dies nicht der Dauerzustand ist.

4

Wie reagiert dein Freund oder deine Freundin, wenn du Grenzen setzt oder ‚Nein‘ sagst?

Wenn dein Freund oder deine Freundin negativ oder mit Druck reagiert, wenn du Grenzen setzt, kann das ein Warnzeichen sein. Das Setzen der eigenen Grenzen ist ein wichtiger Bestandteil jeder Beziehung. Voraussetzung dafür ist, dass du deine eigenen Grenzen kennst und sie auch kommunizieren kannst. Das ist gar keine so leichte Aufgabe.

5

Hast du schon einmal versucht, Bedenken anzusprechen?

Kommunikation ist essentiell, und viele Freundschaften können wachsen und sich verbessern, wenn Probleme offen angesprochen werden. Eine gesunde Freundschaft ermöglicht es, Probleme zu thematisieren, ohne dass die Beziehung Schaden nimmt. Dabei spielst du eine genauso große Rolle wie deine Freundin oder dein Freund: Spreche Bedenken offen und konkret an, ohne die Schuld komplett auf die andere Person zu legen.

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Wieso halten wir an Freundschaften fest, die uns nicht guttun?

Um zu verstehen, wieso wir manchmal an ungesunden Freundschaften so lange festhalten, müssen wir erstmal verstehen, wie eine Freundschaft überhaupt entsteht. Wir verbringen tendenziell am liebsten Zeit mit anderen Menschen, die unsere Interessen teilen, in einer ähnlichen Lebensphase sind, mit denen wir uns gegenseitig unterstützen können und mit denen wir Werte und Prinzipien teilen. Eine Freundschaft kann aber auch ganz einfach aus dem Grund entstehen, weil wir viel Zeit mit der Person verbracht haben und sie uns vertraut geworden ist. In der Psychologie wird dieses Phänomen “Mere Exposure Effekt” genannt. Wir mögen also die Menschen mehr, mit denen wir auch mehr Zeit verbringen. 

Wenn man dann einmal befreundet ist, fällt es oft gar nicht mehr so leicht, sich davon zu lösen. Viele Menschen fürchten die Einsamkeit oder sind unsicher, ob sie alleine zurechtkommen würden. Ein unsicherer Bindungsstil kann zudem begünstigen, dass toxische Verhaltensweisen akzeptiert werden. Aus Angst vor Verlust gehen wir über unsere eigenen Grenzen.

In langjährigen Freundschaften kann auch die Gewohnheit eine große Rolle spielen. Wir erinnern uns an die guten alten Zeiten und das Gefühl, das diese Freundschaft einst auslöste. Manchmal erkennen wir auch gar nicht, dass eine Freundschaft mehr schadet als nützt, besonders wenn die toxischen Muster subtil sind oder sich langsam entwickeln.

Es kann hilfreich sein, die Funktion einer solchen Beziehung zu hinterfragen. Unsere Psyche hält oft aus Gründen an etwas fest, die einmal sinnvoll waren, aber möglicherweise nicht mehr aktuell sind. In solchen Fällen könnte es notwendig sein, ein „Update“ zu geben, um loszulassen und sich weiterzuentwickeln. Ungesunde Freundschaften können also aus verschiedenen Gründen entstehen und bestehen bleiben, oft getrieben durch vermeintliche Abhängigkeiten.

Umgang mit ungesunden Freundschaften

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Wenn wir merken, dass eine Freundschaft uns nicht gut tut, sollten wir handeln. Das kann bedeuten, die Freundschaft zu beenden. Es kann aber auch ein erster Schritt hin zu einer gesünderen Freundschaft sein. Manchmal ist eine Freundschaft es wert, ihr die Möglichkeit zum Wachsen zu geben. Dabei geht es darum, die eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren. Trifft das wiederholt auf Abwehr, bleibt meist nur noch der Rückzug und damit der Selbstschutz. 

Bei sich bleiben: Es ist wichtig, in der eigenen Wahrheit zu verbleiben. Vermeide es, in einer Wutreaktion zu handeln, da dies oft zu Aussagen führen kann, die du später bereuen könntest. Wichtig ist hier auch immer ein Perspektivwechsel: Wie nimmt denn die andere Person die Situation wahr? Stelle sicher, dass du die andere Person fair behandelst. Gib ihr die Möglichkeit, ihre Sichtweise darzulegen, und versuche, ein gegenseitiges Verständnis zu erreichen.

Konflikte ansprechen: Viele Menschen vermeiden Konflikte, weil sie befürchten, die Situation könnte sich verschlimmern. Doch das Gegenteil ist meistens der Fall: durch das Verschweigen von Problemen werden diese oft größer. Mit jeder sich wiederholenden Situation, in der das Problem unangesprochen bleibt, kann sich der eigene Ärger verstärken. Denn während du ständig auf das Problem fokussiert bist, ist sich deine Freundin dessen möglicherweise gar nicht bewusst. Wenn du deine Gefühle und Beobachtungen nicht teilst, kann die andere Person nicht wissen, dass sie eine Grenze überschritten hat.

Kommunikation: Sei offen und ehrlich in deinen Gesprächen. Erkläre konkret, welche Verhaltensweisen du als problematisch empfindest und warum. Dies hilft der anderen Person zu verstehen, was nicht funktioniert.

Selbstreflexion: Überprüfe regelmäßig, wie du dich in der Freundschaft fühlst. Frage dich selbst, was du von der Beziehung erwartest und ob diese Erwartungen erfüllt werden.

Schluss machen: Es erfordert Mut, sich einzugestehen, dass es manchmal notwendig ist, auch in Freundschaften „Schluss zu machen“. Wenn zu viele Grenzen überschritten wurden und auch eine offene Kommunikation keine Lösung scheint, kann eine Trennung der richtige Weg sein. Es ist verständlich, dass viele Menschen Angst davor haben, diesen Schritt zu gehen, insbesondere aus der Sorge heraus, allein dazustehen. Doch das Positive an einer solchen Entscheidung ist, dass sie dir die Möglichkeit gibt, deine Energie und Aufmerksamkeit wieder auf den Aufbau neuer, erfüllender Freundschaften zu lenken.

Wie mache ich mit Freund:innen Schluss?

Wenn du dich entschieden hast, dass die Freundschaft nicht mehr tragbar ist, bleibt als letzter Schritt die Trennung selbst. Das ist oft gar nicht so anders als in einer Liebesbeziehung und es gibt gewisse Punkte, die du beachten solltest:

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Wie schütze ich mich vor toxischen Freundschaften?

Um sich vor toxischen Freundschaften zu schützen, ist ein gesundes Selbstwertgefühl wichtig. Ein klares Bewusstsein der eigenen Stärken und Werte kann helfen, sich selbst zu vertrauen. Wer in sich selbst Vertrauen setzt, ist weniger anfällig für einseitige Abhängigkeiten.

Ebenso wichtig ist es, sich der eigenen Bedürfnisse und Grenzen bewusst zu sein. Dies ermöglicht es, Beziehungsmuster, die als Warnsignale (sogenannte „Red Flags“) dienen könnten, frühzeitig zu erkennen. Wenn wir genau wissen, was wir von einer Freundschaft erwarten und was wir nicht tolerieren, können wir schneller und entschiedener handeln, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.

Darüber hinaus kann eine Reflexion über eigene Bindungserfahrungen helfen, sich selbst besser zu verstehen. Viele Menschen neigen dazu, in ihren Beziehungen Muster aus der Vergangenheit zu wiederholen. Indem man seine früheren Beziehungserfahrungen und deren Einfluss auf das eigene Verhalten in Freundschaften reflektiert, kann man zum Beispiel eine zu hohe Toleranz gegenüber ungesunden Verhaltensweisen erkennen. Das ist der erste Schritt zur Veränderung.

Im Grunde geht es vor allem darum, unsere eigenen Bedürfnisse zu kennen und wahrzunehmen, damit wir unsere Grenzen entsprechend setzen können.

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