Liebe in Zeiten der Windeln: Elternschaft und Paartherapie

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 20.03.2024

Ein Kind – oh welch Freude! Spätestens beim ersten Kind wird deutlich: Freude ist nicht die einzige Emotion, die junge Eltern verspüren. Das Kind schreit, das Kind weint, das Kind hat Hunger. Die Nerven liegen da schnell blank, denn alles dreht sich um das neue Leben. Aber was passiert mit unserem eigenen Leben in dieser außergewöhnlichen Zeit? Wie verändert sich die Beziehung zu unserem Partner oder unserer Partnerin? Und ab wann ist es Zeit für ein ernstes Gespräch?

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Was verändert sich mit einem Baby?

Ein neues Leben zu schaffen, bildet auch einen großen Abschnitt im eigenen Leben. Neben den offensichtlichen körperlichen Veränderungen, die vor allem die Mutter durch Schwangerschaft, Geburt und potenziell das Stillen erlebt, treten auch hormonelle Veränderungen auf. Diese können sowohl die Mutter als auch den Partner oder die Partnerin beeinflussen. Bei einigen Müttern kommt es kurz nach der Geburt zum sogenannten Babyblues: eine Phase, die durch Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist, mit starken Gefühlen wie Angst und Trauer. Es kann auch zu postpartalen, also nach der Geburt auftretenden Depressionen kommen. Starker Schlafmangel ist jungen Eltern ebenfalls kein Fremdwort. 

Der Fokus liegt ganz auf dem Kind. Das ist schön. Aber eben auch verdammt anstrengend. Darunter leidet oft die Intimität zwischen den Partner:innen und am Ende auch die Verbindung zu sich selbst. Eltern zu werden ist eine herausfordernde Zeit. Beide Partner:innen müssen sich in ihre neuen Rollen als Eltern einfinden. Dabei müssen sie mit den eigenen und den Erwartungen anderer zurechtkommen. Neben Freude und Aufregung mischt sich bei vielen jungen oder werdenden Eltern die Sorge um die Zukunft des Kindes und Gedanken um das eigene Verantwortungsbewusstsein. Werde ich ein guter Elternteil sein? Kann ich das überhaupt? Viele Eltern erleben solche Selbstzweifel. Immerhin ist es auch das allererste Mal im Leben, dass sie ein eigenes Kind haben. 

In dieser Zeit voller schneller Veränderungen entstehen oft Konflikte. Vielleicht geht mein Partner ganz anders mit unserem Kind um, als ich mir das vorgestellt hatte? Die Geburt eines Kindes kann alte Geschichten aufwühlen. Man hinterfragt die Art und Weise, wie man selbst aufgewachsen ist und wie man sich wünscht, dass die eigenen Kinder aufwachsen.

Schadet Streit meinem Kind?

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Die ersten Lebensjahre sind sehr prägend und das Kind saugt alle Informationen aus der Umwelt auf, die es kriegen kann. Auch negative Stimmung und Streit werden vom Kind wahrgenommen. Dabei spielt besonders die Art und Weise, wie Eltern sich streiten, eine Rolle. Bei destruktiven Streits und Disharmonie in der Partnerschaft erleben Kinder oft eine starke emotionale Belastung. Sie sehen ihre wichtigste Bindung und ihr Sicherheitsnetz wanken, was Ängste hervorrufen kann. Kinder, die sich häufig solchen Erfahrungen ausgesetzt sehen, können Verhaltensprobleme entwickeln, wie Aggressionen oder extremen Rückzug. Auch kann es die Beziehungsfähigkeit dieser Kinder stark beeinflussen. Wir lernen die gesunden, aber eben auch die ungesunden Beziehungsmuster unserer Eltern. 

Bedeutet das nun, dass Eltern sich nicht streiten dürfen? Ganz im Gegenteil! Konstruktive Streits und eine grundlegende Harmonie in der Partnerschaft haben positive Effekte auf die Kinder. Wenn Eltern als Team fungieren und gemeinsam Konflikte lösen, haben sie mehr Kraft für den Familienalltag, was eine sichere familiäre Bindung für die Kinder schafft. Sie lernen, dass Konflikte zum Leben dazugehören, und entwickeln Fähigkeiten, Konflikte konstruktiv zu klären. Es geht nicht darum, überhaupt nicht zu streiten, sondern darum, wie man richtig streitet und sich auch wieder versöhnt. Streiten muss gelernt sein! Kinder sollten lernen, dass Konflikte und ihre Auflösung Teil des Lebens sind. Dies ermöglicht es ihnen, Konflikte als normal und lösbar anzusehen. Kinder, die das nie gelernt haben, können später Konflikte mit Bindungsverlust gleichsetzen. Solchen Menschen fällt es oft schwer, sich konstruktiv zu streiten, da sie sich oder die Bindung bedroht sehen.

Wie streitet man sich richtig?

Konstruktiv streiten, alles klar, und wie zur Hölle geht das? Wie fast alles im Leben kann auch das Streiten gelernt werden. Das ist allerdings gar keine so leichte Aufgabe, vor allem wenn die Emotionen hochkochen und man sich in alten, festgefahrenen Mustern verfängt. Und wenn dann noch ein Kind in der Mitte sitzt, macht es die Sache nicht einfacher. Eine klassische destruktive Streitdynamik ist, wenn du dich nicht gesehen oder gar übergangen fühlst, deshalb wütend reagierst, woraufhin sich die andere Person zurückzieht, woraufhin du wütender wirst. Einer, am besten beide, müssen aus dem Sandkasten aussteigen und einen neuen Versuch wagen. Viele Paare suchen sich daher zur Unterstützung eine Paartherapie. Oft kann eine neutrale Instanz helfen, Abstand zu gewinnen und die Situation aus einer neuen Perspektive zu sehen.

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Woran erkennen Paare, ob eine Therapie der richtige Weg ist?

Wenn der Gedanke an eine Paartherapie in eurem Kopf herumschwirrt, ist das oft ein Zeichen dafür, dass ihr bereits erkannt habt: Etwas muss sich ändern. Die Überlegung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, hängt davon ab, wie sehr euch die aktuelle Situation belastet und welche Erwartungen und Wünsche ihr an die Therapie hegt. Anzeichen, dass eine Paartherapie sinnvoll sein könnte, umfassen unter anderem anhaltende Kommunikationsprobleme, wiederkehrende Konflikte bezüglich der Erziehung oder der Rollenverteilung innerhalb der Familie, Schwierigkeiten, Nähe und Intimität zu bewahren, sowie das Gefühl, im Alltagsstress und unter neuen Belastungen als Eltern die Verbindung zueinander zu verlieren. Besonders wenn die Probleme schon seit einiger Zeit bestehen und keine Besserung in Sicht scheint, ist eine Therapie ein guter Versuch. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig! 

Eine Paartherapie ist oft der letzte Schritt bei Beziehungsproblemen, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind. Das sollte sie jedoch nicht sein, denn je früher wir uns entscheiden, an der Beziehung zu arbeiten, desto eher kann sich etwas verbessern. Man muss nicht kurz vor der Scheidung stehen, bevor man sich endlich in eine Therapie traut. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass der Schritt zu einer Paartherapie kein Zeichen von Scheitern ist, sondern vielmehr ein Ausdruck von Stärke und dem Mut, etwas zu verändern. Wenn uns diese Beziehung wichtig ist, dann sollten wir ihr auch Platz in unserem Leben schaffen. Die Entscheidung für eine Therapie sollte gemeinsam getroffen werden, damit beide Partner:innen offen gegenüber der Therapie und Veränderungen sind. Sollte einer von euch zunächst zögern, ist es wichtig, die Gründe dafür zu verstehen und zu besprechen. Gegebenenfalls kann eine individuelle Therapie sinnvoll sein.

Was geschieht in der Paartherapie?

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In einer Paartherapie, wie zum Beispiel der emotionsfokussierten Therapie, beginnt der Prozess meist damit, gemeinsam die Kernthemen zu identifizieren, die zu Spannungen oder Konflikten geführt haben. Wieso sitzen wir nun hier? Dabei wird auch tiefer geschaut und nach zugrundeliegenden Ursachen für Konflikte gesucht. Ein zentraler Aspekt der Therapie ist es, sowohl die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen und diese zu kommunizieren als auch zu lernen, wie man empathisch auf die Bedürfnisse des Partners reagiert. Während der Therapie werden neue Verhaltensweisen und Lösungsstrategien nicht nur besprochen, sondern auch gezielt geübt. Generell findet ein Großteil der Therapie auch außerhalb des Therapieraums statt, mit Übungen für den Alltag.

In der Paartherapie stattet der Therapeut oder die Therapeutin die Partner:innen mit Werkzeugen aus, um gemeinsam Herausforderungen zu meistern, anstatt sie für sie zu lösen. Das Hauptziel ist dabei nicht, jeglichen Konflikt aus der Welt zu schaffen – denn Meinungsverschiedenheiten und kleinere Auseinandersetzungen sind natürliche Bestandteile jeder Beziehung. Vielmehr geht es darum, Strategien zu entwickeln, um auch in angespannten Momenten Leichtigkeit und Verständnis zu bewahren. Diese Fähigkeit, Leichtigkeit in stressigen Situationen zu finden, ist besonders für Eltern im hektischen Familienalltag von unschätzbarem Wert.

Es gibt jedoch Momente, in denen selbst die beste Paartherapie ihre Grenzen erreicht. Dies kann der Fall sein, wenn unüberbrückbare Differenzen in den grundlegenden Lebenszielen oder Wertvorstellungen vorliegen oder wenn emotionale oder körperliche Verletzungen stattfinden. Ein weiterer kritischer Punkt ist die mangelnde Bereitschaft zur Veränderung bei einem oder beiden Partner:innen. In solchen Fällen kann eine Trennung die gesündere Option sein. Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jede Beziehung gerettet werden kann oder sollte, besonders wenn eine der Parteien Schaden nimmt.

Wolke Sieben und was dann? 7 Fragen, die jede Beziehung stärken

1.

Wie reagiere ich unter Stress?

Menschen folgen Mustern und diese tauchen immer wieder auf. Findet heraus, welche Anzeichen ihr bei euch und eurem Partner oder Partnerin in stressigen Zeiten bemerkt.

2.

Wie können wir uns dabei gegenseitig unterstützen?

Besprecht, wie ihr die Bedürfnisse des anderen wahrnehmen und darauf eingehen könnt. Ein einfaches „Ich sehe dich und was du brauchst“ kann Wunder bewirken.

3.

Wie begegnen wir uns momentan im Alltag und wie würden wir uns gerne begegnen?

Im Alltagsstress kann sich eine Beziehung leicht verlieren. Aus Romantik wird Routine.

4.

Wie kommunizieren wir unsere Bedürfnisse und Wünsche klar?

Wenn wir unsere Bedürfnisse und Wünsche nicht offen äußern, ist es schwer, diese umzusetzen. Unser:e Partner:in ist keine Hellseher:in. So können Missverständnisse vermieden und gemeinsam Lösungen gefunden werden.

5.

Wie gehen wir mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten um?

Streit gehört in jede Beziehung, tut sogar gut! Wir haben nicht immer dieselbe Meinung und müssen das auch nicht haben. Es geht vielmehr darum, zu lernen, konstruktiv miteinander umzugehen. Das stärkt die Beziehung, statt sie zu belasten. 

6.

Wie balancieren wir unsere Rollen als Partner:innen und Eltern aus?

Besprecht, wie ihr sicherstellt, dass neben der Elternrolle eure Partnerschaft nicht untergeht. Plant euch zum Beispiel regelmäßige „Wir-Zeiten“ ein.

7.

Bin ich in Streitsituationen die Person, mit der ich gerne zusammen wäre?

In Konfliktsituationen ist es wichtig, sich selbst zu reflektieren und zu fragen, ob man sich so verhält, wie man es sich vom Partner wünschen würde. Diese Selbstreflexion kann helfen, den eigenen Anteil in Konflikten zu sehen.

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Love Box – Anleitung zum Lieben

Eine kleine Übung zum Schluss. Gönnt euch als Paar einen Moment der Ruhe, schnappt euch einen schönen Behälter, etwas Papier und einen Stift. Denkt darüber nach, auf welche Weise jede:r von euch dem anderen zeigen kann, dass er oder sie gesehen wird und wichtig ist. Jede:r schreibt seine Gedanken und Vorschläge auf fünf Zettel.

Die Idee dahinter: Jeden Tag zieht einer von euch zufällig einen Zettel aus der Love Box und bringt die darauf notierte Geste in den Alltag ein. Es geht darum, den Worten Taten folgen zu lassen und so mehr Wertschätzung auf kreative und neue Art in den Alltag und die Beziehung zu bringen.

Dieses kleine Ritual zeigt, dass Liebe in den kleinen Dingen liegt und dass jeder Tag eine neue Chance für Veränderung ist.

Beziehungen sind der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Wünschst du dir ein harmonisches Miteinander, aber gleichzeitig auch, besser für dich und deine Bedürfnisse einzustehen? Dann könnte der Online-Kurs „Beziehungen auf Augenhöhe“ von der Stefanie Stahl Akademie genau das Richtige für dich sein. Lerne auch in schwierigen Situationen, gleichberechtigt zu kommunizieren. Hier findest du weitere Informationen zum Kurs:

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