Hypochondrie meint die übermäßige Angst krank zu werden oder krank zu sein. Es handelt sich dabei um eine psychische Erkrankung. Nach ICD-10 ist sie besonders dadurch gekennzeichnet, dass Betroffene sich andauernd mit der Möglichkeit beschäftigen, an einer oder mehreren schweren und fortschreitenden körperlichen Krankheiten zu leiden. Normale oder allgemeine Körperwahrnehmungen und Symptome werden von den Betroffenen oft als abnorm und belastend interpretiert. Häufig richtet sich die Aufmerksamkeit auf nur ein oder zwei Organe oder Organsysteme des Körpers.
Die Betroffenen leiden zum einen unter der Angst vor bestimmten Krankheiten und zum anderen unter körperlichen Symptomen, für die es keine organischen Ursachen gibt. Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene eine angemessene Behandlung erhalten.
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Symptome gegoogelt, jetzt glaube ich, dass ich Krebs habe – ging das nicht jedem schon mal so? Wo verläuft die Grenze?
Die Grenze verläuft dort, wo man über mindestens 6 Monate hinweg überzeugt ist, an körperlichen Erkrankungen oder Missbildungen zu leiden, obwohl das medizinisch nicht der Fall ist. Ebenso, wenn die ständige Sorge um Krankheiten Leiden verursacht und wenn medizinische Facheinschätzungen hartnäckig abgelehnt werden.
Im Alltag wird umgangssprachlich häufiger das Wort Hypochonder verwendet. Dabei liegt der Prozentsatz von Menschen mit klinisch relevanter Hypochondrie bei ca. 0,05 % und der Anteil der Menschen mit latenter, andauernder Krankheitsangst bei 2-3%.
Die Furcht vor ernsten Erkrankungen ist besonders deshalb so stark, weil wir mit unserem potentiellen Tod konfrontiert sind. In solchen Momenten wird man mit seiner eigenen Endlichkeit und der Unvorhersehbarkeit des Lebens konfrontiert. Wie es bei psychosomatischen Erkrankungen üblich ist, spielt die „Hyperaufmerksamkeit“ eine bedeutende Rolle. Dabei achtet man äußerst genau auf körperliche Signale und wird dadurch besonders empfindlich gegenüber geringfügigen Veränderungen. Häufig manifestieren sich körperliche Symptome, wenn seelisches Leid nicht angemessen zum Ausdruck gebracht und verarbeitet wird.
Die Entstehung von Krankheitsangst kann aus verschiedenen Bedürfnissen einer Person entstehen, wie zum Beispiel dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle oder auch der Angst vor Kontrollverlust. Ständig mit dem Schlimmsten zu rechnen, kann dadurch entstehen, dass wir nicht überrascht oder enttäuscht werden wollen.
Jedoch schützt das Denken in Katastrophen nicht wirklich vor Enttäuschung. Stattdessen macht es die Zeit bis zu einem möglichen Ereignis nur quälender. Es ist, als würde man lieber sein Leben lang enttäuscht sein, um nicht die Gefahr der Enttäuschung zu erleben. Betroffene haben oft auch die innere Angst, mit Enttäuschungen nicht angemessen umgehen zu können. Indem man jedoch die ganze Zeit enttäuscht ist, entsteht die unbewusste Illusion von Kontrolle über die Enttäuschung.
Dazu gehören zum Beispiel die frühe Konfrontation mit Krankheit und Tod, sei es am eigenen Leib oder bei nahestehenden Personen. Ebenso können eine geringe Stresstoleranz sowie ängstliche und überbesorgte Bezugspersonen in der Kindheit, die ausschließlich physischen Beschwerden Beachtung schenken und psychischen Leiden weniger Aufmerksamkeit widmen, eine Rolle spielen.
Eine mögliche Ursache sind Phasen körperlicher Angeschlagenheit, wie sie beispielsweise bei Grippe oder Long Covid auftreten. In solchen Zeiten kann die vorhandene Krankheitsangst verstärkt werden, da die körperlichen Symptome als Anstoß für verstärkte Sorgen um die eigene Gesundheit dienen können.
Des Weiteren kann die Krankheit durch die gesellschaftliche Krankheitsangst intensiviert werden. Ein Beispiel dafür ist die kollektive Krankheitsangst, die während der Corona-Pandemie weit verbreitet war. Die ständige Präsenz von Nachrichten über Krankheitsausbrüche und Gesundheitsrisiken kann die Ängste von Menschen mit Hypochondrie verstärken und zu einem Anstieg der Krankheitsüberlegungen führen. Der soziale Kontext und die Medien können somit einen bedeutenden Einfluss darauf haben, wie stark die Krankheitsangst bei Betroffenen ausgeprägt ist.
Die Suche nach ärztlicher Rückversicherung bietet zunächst scheinbare Sicherheit und Trost. Der direkte Kontakt mit medizinischem Personal kann vorübergehende Beruhigung verschaffen, auch wenn die langfristige Wirkung begrenzt ist. Dies verstärkt den Zyklus der wiederholten Arztbesuche.
Hypochondrische Personen können durch die körperlichen Symptome Aufmerksamkeit und Zuwendung von anderen erhalten. Dies stellt allerdings einen unbewussten Vorteil dar. Die meisten psychischen Erkrankungen haben solche versteckten Vorteile, die bei der Aufrechterhaltung der Störung relevant sein können.
In vielen Gesellschaften gibt es nach wie vor ein Stigma im Zusammenhang mit psychischen Problemen. Es kann für Menschen einfacher sein, über körperliche Schmerzen zu sprechen, um sozialen Erwartungen gerecht zu werden oder um auf Verständnis zu stoßen, als über psychische Probleme zu sprechen.
Der Teufelskreis, der durch Beschwerden, Schonung, abnehmende Freude an Aktivitäten, abnehmende Belastbarkeit und erneute Beschwerden entsteht, macht Hypochondrie besonders hartnäckig. Die Vermeidung von Aktivitäten aufgrund wahrgenommener Gesundheitsrisiken verstärkt die Beschwerden und führt zu einem immer engeren Kreislauf.
Weitere psychosoziale Faktoren wie Stress, Angst oder depressive Verstimmungen können die Hypochondrie weiter befeuern und die Symptome verstärken.
Eine therapeutische Unterstützung, die auf Verhaltensänderungen, kognitiver Neubewertung und der Bewältigung von Stress und Ängsten basiert, kann dabei helfen, diesen hartnäckigen Teufelskreis zu durchbrechen.
Die kognitive Verhaltenstherapie wird häufig für die Behandlung von Hypochondrie eingesetzt. Dabei wird an der gedanklichen Umbewertung von körperlichen Beschwerden geübt, sodass nicht immer an eine Krankheit gedacht wird und zwanghaftes Verhalten reduziert wird. Wie bei jeder Therapie ist die Verbesserung der Lebensqualität zentral.
Die Behandlung von psychosomatischen Patient:innen kann aufgrund verschiedener Herausforderungen besonders komplex sein. Viele Betroffene haben bereits schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht. Dies kann zu Enttäuschung und generellem Misstrauen gegenüber medizinischen Fachkräften führen. Sie könnten das Gefühl haben, nicht ernst genommen oder nicht adäquat behandelt worden zu sein.
Abhängigkeitsgefühl und ständige Rückversicherung können auch einen Faktor für Herausforderungen darstellen, da Betroffene dazu neigen können, sich in eine Abhängigkeit von medizinischem Personal zu begeben.
Einige Patientinnen könnten Psycholog:innen skeptisch gegenüberstehen. Manche neigen dazu, sich stark auf ihre körperlichen Symptome zu konzentrieren und vernachlässigen dabei möglicherweise die psychischen Aspekte ihrer Erkrankung. Dies kann die Arbeit an der zugrunde liegenden psychosomatischen Dynamik erschweren. Sie könnten denken, dass psychologische Unterstützung nicht relevant ist, weil ihre Beschwerden ausschließlich körperlicher Natur sind. Dies kann eine Barriere für die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Hilfe oder der Zusammenarbeit im Rahmen der Therapie darstellen.
Vorurteile im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen könnte dazu führen, dass Patient:innen sich gegenüber psychologischer Hilfe verschließen. Sie könnten Angst vor dem Etikett „verrückt“ haben und daher zögern, sich auf psychologische Unterstützung einzulassen.
Die Berücksichtigung dieser Herausforderungen ist entscheidend für die Gestaltung effektiver und patientenzentrierter Behandlungsansätze bei psychosomatischen Erkrankungen. Auf der Seite der Betroffenen kann es helfen, sich dieser möglichen inneren Widerstände bewusst zu werden, um trotz allem psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein Gefühl der Gelassenheit kann entstehen, wenn wir anerkennen, dass absolute Sicherheit nicht existiert, und wir uns den Ängsten stellen. Darüber hinaus ist es wichtig zu akzeptieren, dass Krankheit und Gesundheit keine klaren Gegensätze darstellen, und dass Gesundheit nicht zwangsläufig bedeutet, vollständig frei von Beschwerden zu sein.
Das Streben nach absoluter Sicherheit kann sehr viel Stress auslösen. In unserem Beitrag zu Zwangserkrankungen kannst du erfahren, welche Rolle Sicherheit auch bei der Entstehung und Aufrechterhaltung dieser Störung hat. Das ist eine sehr herausfordernde Aufgabe, die im Rahmen einer Therapie auch erarbeitet werden kann.
Falls du dich in den beschriebenen Symptomen wiederfindet, zögere nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen!