Unser Alltag ist hektisch. Tagsüber rennen wir von Termin zu Termin, nach Feierabend direkt zum Essen mit Freund:innen und zwischendurch wollten wir doch eigentlich noch mal eben in der Wohnung saugen. Überlegungen und Gedanken verschieben wir notgedrungen auf später. Das geht oft nach hinten los: Die Gedanken suchen uns dann heim, wenn wir zur Ruhe kommen wollen. „Habe ich heute beim Teammeeting etwas Falsches gesagt? Meine Freundin war am Telefon so kurz angebunden, ist sie vielleicht sauer auf mich? Wie soll ich bloß morgen den Termin mit der Geschäftsführung überstehen?”
So springen wir von Gedanke zu Gedanke, von Thema zu Thema, und verlieren uns in “hätte”s, “könnte”s und “wäre”s. Grübeln spielt sich vor allem in der Vergangenheit oder in der Zukunft ab, hat mit der Realität, dem Hier und Jetzt, aber wenig zu tun. Aber wieso plagen uns tagein, tagaus diese Gedankenspiralen?
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Grübelzwänge basieren oft auf Angst vor Ablehnung. Und wo kann man abgelehnt werden? Richtig – in sozialen Situationen, die wir im Alltag erleben. Das kann eine Teamsitzung, ein Treffen mit Freund:innen oder gemeinsame Zeit mit dem oder der Partner:in sein. Diese Ablehnung wollen wir vermeiden. Unser Gehirn versucht also, sich auf potenziell schwierige Situationen vorzubereiten, indem diese immer wieder durchgespielt werden. Das vermittelt ein Gefühl von Kontrolle über die bedrohliche Situation.
Oft hat sich so das Grübeln schon richtig in unser Gehirn eingeschliffen. Wir können uns das so vorstellen: Gehen wir einen dünnen Trampelpfad auf einer Wiese immer und immer wieder, wird er breiter und tiefer. So funktioniert es auch im Gehirn: Grübeln wir immer und immer wieder vor dem Schlafengehen, entsteht im Gehirn eine Verknüpfung zwischen dem Grübeln und dem Ins-Bett-Gehen, die sich mit jedem Mal tiefer einprägt.
Stress hängt auf zwei Arten mit Grübeln zusammen: Zum einen grübeln wir über Dinge, die uns stressen. Das sind eben die Situationen, die uns bedrohlich vorkommen, und auf die wir uns mental vorbereiten wollen. Andererseits lassen wir uns aber auch schneller und häufiger von den Gedankenspiralen mitreißen, wenn wir ängstlich oder gestresst sind.
Aber wieso haben wir so viel Stress? Schauen wir kurz zurück: Evolutionär gesehen hat Stress eine Signalfunktion. Er sollte uns nämlich darauf hinweisen, dass wir einer Gefahrensituation ausgesetzt waren. Durch eine erhöhte Energiefreisetzung sorgte er dafür, dass wir vorbereitet waren, um entweder gegen eine Bedrohung zu kämpfen oder vor ihr wegzulaufen (“fight or flight response”). Stress war in diesen Situationen also durchaus wichtig und sinnvoll. Auch wenn die Ursache von Stress heute nicht mehr so oft eine körperliche Bedrohung ist, sind die physiologischen Reaktionen – wie erhöhter Puls, Schwitzen, verstärkte Wahrnehmung des Umfelds – immer noch dieselben.
Grübeln und Stress hängen also stark miteinander zusammen. Damit wird auch klar, wieso einschlafen oft unmöglich ist, wenn wir abends grübelnd im Bett liegen: Stress versetzt den Körper in einen Zustand der Alarmbereitschaft und Anspannung. An Schlaf ist in diesem Zustand nicht zu denken. Das ist erst dann möglich, wenn die physiologischen Symptome abklingen, sich also beispielsweise ein Ruhepuls einstellt. Entspannung ist im Umgang mit Stress also entscheidend.
Hin und wieder zu grübeln, ist ganz normal und auch völlig in Ordnung. Problematisch wird es dann, wenn das Grübeln sehr häufig ist und man sich dabei nur mit negativen Inhalten und Stimmungen beschäftigt. Wer also ständig darüber nachdenkt, wie schlecht er oder sie drauf ist, gräbt sich so auch immer tiefer in die negative Stimmung hinein und es wird immer schwieriger, sich wieder von ihr zu lösen. In der Fachsprache wird dieses negative Grübeln “Rumination” genannt. Ausgiebiges Grübeln über negative Inhalte führt also dazu, dass schlechte Stimmungen aufrechterhalten werden. Dies wiederum kann zur Entstehung von Depressionen beitragen. Um die gedankliche Negativspirale zu durchbrechen, kann es schon helfen, sich einfach mal abzulenken. Bei Anzeichen von Symptomen einer Depression sollte man sich jedoch immer professionelle Hilfe suchen.
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Geführte Meditationen können gerade beim Einschlafen ein wirksames Mittel zur Entspannung sein. Sie können uns helfen, uns sicher und geborgen zu fühlen und unsere Gedanken loszulassen. Konkret kann es zum Beispiel nützlich sein, im Kopf ein Bild zu schaffen, in dem all die Themen, zu denen sich unsere Gedanken überschlagen, in einen Käfig gesperrt werden. In einem zweiten Schritt können wir uns ablenken und versuchen, an etwas zu denken, dass uns Freude bereitet und ein gutes Gefühl gegeben hat.
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Merken wir, dass wir wieder in eine Gedankenspirale gezogen werden, hilft es, uns selbst einen klaren Gedankenstopp zu setzen. “Halt! Sind diese Gedanken gerade realistisch oder in irgendeiner Weise hilfreich?” In einer Grübelspirale wird die Antwort “Nein” lauten und wir können die Gedanken bewusst und aktiv zur Seite schieben. Der Vorteil: Gedankenstopps funktionieren sehr schnell und können zu jeder Zeit und überall angewendet werden.
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Exzessives negatives Grübeln kann zur Entstehung einer Depression beitragen. Wenn einem die Gedankenspiralen über den Kopf wachsen und man es selbst nicht mehr schafft, sie zu durchbrechen und sich aus der gestressten, negativen Stimmung zu lösen, sollte man unbedingt therapeutische Hilfe aufsuchen. In einer Therapie kann man vielfältige Strategien lernen, um mit Grübeln, Stress und depressiven Verstimmungen umzugehen.
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Ein ausgewachsenes Gedankenkarussell kann auch daher kommen, dass wir große Angst davor haben, Fehler zu machen. Auch diese Angst kommt schließlich daher, dass wir Angst haben, abgelehnt zu werden. Diese Angst kann den Ursprung in unserer Kindheit haben. Wenn diese also sehr stark ist, lohnt es sich, einmal zurückzuschauen und die Bindung zu den Eltern kritisch zu reflektieren, Denkmuster aus der Kindheit zu erkennen und Schritt für Schritt an Selbstwert und Selbstwirksamkeit zu arbeiten. Auch hier kann Unterstützung durch eine Psychotherapie helfen.
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Um unkontrollierbare Grübelspiralen zu vermeiden, sollten wir uns im Alltag regelmäßig bewusst Zeit für unsere Gedanken nehmen. Zum Beispiel kann es helfen, unsere Gedanken täglich – wie eine Einkaufsliste – niederzuschreiben. So können wir einmal rauslassen, was uns im Kopf herumschwirrt und haben die Sicherheit, dass nichts vergessen geht. Wir müssen also nicht ständig an den Gedanken festhalten.
Wenn wir merken, dass wir uns in einer ergebnislosen Grübelspirale befinden, können wir unseren Fokus auf Dinge lenken, die uns wirklich weiterbringen: Zum Beispiel können wir neue Glaubenssätze aufschreiben und sie uns immer wieder durchlesen: “Du darfst Fehler machen!” oder “Du darfst Pausen machen!” könnten zum Beispiel helfen, um Angst vor Ablehnung oder Leistungsdruck zu reduzieren.
Wenn du noch mehr darüber erfahren möchtest, wie Stress entsteht, wieso wir Menschen überhaupt Stress empfinden und was du machen kannst, um deinen Stress zu reduzieren, könnte dir der Kurs „Stressbewältigung“ von der Stefanie Stahl Akademie weiterhelfen. Schau doch einfach mal vorbei!