Sicher kennst du das auch: Du hast eine wichtige Abgabe auf der Arbeit oder für die Uni, aber natürlich wird erst einmal durch Social Media gescrollt. Die Deadline rückt immer näher, du schiebst dann kurz vorher noch ein paar Nachtschichten, bist nach der Abgabe körperlich und psychisch k. o. und nimmst dir vor, „Beim nächsten Mal auf jeden Fall früher anzufangen”. Dabei weißt du, dass das nicht passieren wird.
Prokrastination boomt momentan – also nicht das Prokrastinieren an sich (das tun wir Menschen schon lange), sondern die Aufmerksamkeit rund um das Thema. Sehen wir ein Video oder Reel über jemand anderen, der/die prokrastiniert, fühlen wir uns verstanden. Das Thema scheint viele zu beschäftigen. Wieso ist das so? Sind wir einfach faul? Und was können wir dagegen tun?
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
Prokrastination ist die wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten. Wichtig: Wir sprechen häufig von Prokrastination, sobald wir Aufgaben vertagen. Jedoch ist Prokrastination streng genommen das Aufschieben von Aufgaben mit Krankheitswert. Wir beschäftigen uns in diesem Beitrag mit dem Thema “Prokrastination”, auch wenn wir damit nicht immer diese Form von Aufschiebung meinen. Ein wirkliches Problem ist Prokrastination spätestens, wenn sie psychische Folgen wie Dauerstress, Depressionen, Angststörungen oder zwischenmenschliche Probleme wie Unstimmigkeiten im Job oder an der Uni oder Streit mit anderen Personen mit sich bringt.
Hier gilt es genau hinzusehen! Wer faul ist, der genießt es einfach mal nichts zu tun und fühlt sich nicht wirklich schlecht dabei, seine Aufgaben zu vernachlässigen. Faulheit macht sich durch Energielosigkeit und den Zustand vorübergehender oder andauernder Gleichgültigkeit bemerkbar. Wer prokrastiniert, fühlt sich hingegen unwohl damit, überhaupt nichts zu tun und versucht, sich durch andere Aufgaben abzulenken. Außerdem geht Prokrastination häufig mit unterschwelligem Dauerstress einher, da die Betroffenen ihre Aufgaben für sehr wichtig halten, wohinter häufig Versagensangst steckt.
Alles, was wir tun, hat eine Funktion. Auch wenn wir diese zunächst nicht sehen und sie nicht offensichtlich ist. Prokrastination ist häufig ein Schutzmechanismus vor Versagen und Angst: Wenn ich gar nichts tue, kann ich auch nicht versagen. Dies wird auch durch Studien bestätigt, die darauf hinweisen, dass Prokrastination mit einer erhöhten Aktivität der Amygdala einhergehen kann. Die Amygdala ist die Hirnregion, die für die Prozessierung von (negativen) Emotionen, insbesondere Angst, zuständig ist. Empfinden wir Angst, haben wir drei Optionen: Fight, Flight und Freeze. Prokrastination ist eine Art Freeze-Verhalten. Außerdem reagiert unser Körper auf die kurzfristige Stressreduktion, die Prokrastination mit sich bringt, indem er dieses Verhalten als positiv bewertet, obwohl es langfristig zu negativen Konsequenzen führt.
Acht von zehn Deutschen (82 Prozent) haben schon finanzielle, berufliche oder gesundheitliche Nachteile erlitten, weil sie wichtige Dinge auf die lange Bank geschoben haben. Aber was treibt uns wirklich dazu, zu prokrastinieren? Gemäß einer Studie des SINUS-Instituts sind die häufigsten Gründe für permanente Prokrastination die folgenden:
Das Gemeine an Prokrastination: Während sie uns langfristig schadet, reduziert sie kurzzeitig negative Gefühle und Stress. Unser Körper vermerkt diese Stressreduzierung als etwas Positives. Den typischen Stress vor einer prokrastinierten Deadline (inklusive Nachtschichten und übermäßigem Koffeinkonsum) schieben wir dann häufig auf unsere nicht vorhandenen Fähigkeiten, die Aufgabe zu erledigen und nicht darauf, dass wir sie “einfach” nicht rechtzeitig begonnen haben. Die Folge: Wir sehen kein Problem an der Prokrastination. Aber was kann nun helfen, uns von der lästigen Aufschieberitis zu befreien?
Prokrastination ist keine eigenständige Krankheit und kann daher nicht direkt “geheilt” werden. Es gibt jedoch verschiedene Strategien, um mit Prokrastination umzugehen und sie zu verringern oder zu vermeiden.
1.
Intrinsische Motivation spielt eine entscheidende Rolle, um Aufgaben zu erledigen. Es hilft, sich, die Frage zu stellen, warum man eine Aufgabe erlegen möchte. Falls die Aufgabe unklar erscheint, kann man sie in kleine Schritte aufteilen, um sie greifbarer zu machen.
2.
Kleinere Ziele zu setzen, wird uns dabei helfen, die Aufgabe zu beginnen. Es bietet sich an, z. B. mit dem kleinsten Schritt, den man sofort erledigen kann, zu beginnen. Es ist auch hilfreich, sich mit jemandem zusammenzutun, um sich gegenseitig zu motivieren. Visualisierung der erfolgreichen Erledigung der Aufgabe kann auch anspornend wirken.
3.
Eine Auseinandersetzung mit dem unangenehmen Gefühl, das mit der Aufgabe verbunden ist, kann die Motivation steigern. Das „Eat the Frog“-Prinzip besagt, dass man die unangenehmste Aufgabe zuerst erledigen sollte.
4.
Ein mitfühlender Umgang mit Prokrastination ist wichtig, um sich nicht selbst zu bestrafen. Journaling kann helfen, die zugrundeliegenden Gründe für die Prokrastination zu erkennen.
5.
Es ist ratsam, sich nicht als einen „Prokrastinierer“ zu bezeichnen, sondern den Stress anzuerkennen und nicht mit Ablenkungen zu meiden.
6.
Die Pomodoro-Methode ist eine Zeitmanagement-Technik, bei der man 25 Minuten lang konzentriert an einer Aufgabe arbeitet (ein Pomodoro) und danach fünf Minuten Pause macht. Nach vier Pomodoros folgt dann eine längere Pause. Diese Methode steigert die Produktivität und minimiert mögliche Ablenkungen.
Prokrastination ist kein Ausdruck von Faulheit, sondern ein komplexes Verhalten, das ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Indem wir uns mit den wahren Gründen hinter unserer Aufschieberitis auseinandersetzen, können wir lernen besser damit umzugehen und nicht so hart zu uns selbst zu sein.