Glaub nicht immer, was du fühlst: Negative Denk- und Verhaltensmuster auflösen

GEPRÜFT DURCH | STEFANIE STAHL & LUKAS KLASCHINSKI VERÖFFENTLICHT | 31.01.2023

Mit dem Rauchen aufhören, gesünder essen oder früher ins Bett gehen? Leichter gesagt als getan! Dabei handelt es sich nämlich um Verhaltensmuster, die sich über längere Zeit eingeschliffen haben. Aber was genau sind diese Muster und wie können wir sie verändern? 


Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir mögen Vertrautes und bleiben gern in unserer Komfortzone, wenn wir es uns erst einmal bequem gemacht haben. Im Laufe unseres Lebens erlernen wir unzählige Denk- und Verhaltensmuster, die zu Routinen und Gewohnheiten werden. Man nennt diese Muster auch Verhaltensketten, weil sie die immer gleiche Abfolge bestimmter Verhaltensweisen sind. Aber nicht alle diese Muster sind gut für uns und manche würden wir nur allzu gerne wieder loswerden.

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Was sind Verhaltensmuster?

Verhaltensmuster sind nichts anderes als eingeübte Tätigkeiten. Zum Beispiel die Art und Weise, wie wir morgens unseren Kaffee zubereiten, in welcher Reihenfolge wir uns bettfertig machen oder wie wir unser Smartphone bedienen. 

Es sind Routinen, die uns den Alltag ein Stück leichter machen. Ohne sie müsste unser Gehirn jeden Tag aufs Neue entscheiden, wie wir denn heute unseren Kaffee trinken wollen oder ob wir zuerst zur Toilette gehen und dann die Zähne putzen oder doch lieber andersrum. Durch Gewohnheiten können wir Energie sparen. Außerdem geben Routinen uns eine gewisse Sicherheit, weil wir nicht jede Situation neu einschätzen müssen. Gewohnheiten machen dem Gehirn die Arbeit also leichter.

Ob die Verhaltensmuster positiv oder negativ sind, ist dem Gehirn allerdings egal. Das macht es schwer, aus schlechten Angewohnheiten herauszukommen und führt zu Unlust- und Frustgefühlen, wenn wir eine neue Gewohnheit etablieren wollen – auch wenn wir genau wissen, dass sie uns eigentlich gut tut.

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Was sind negative Verhaltensmuster?

Negativ sind die Verhaltensmuster dann, wenn sie kurz- oder langfristig negative Konsequenzen haben. Dazu zählen zum einen typische “schlechte Angewohnheiten” wie ungesunde Lebensweisen, oder Süchte. Negative Verhaltensmuster treten aber auch häufig im sozialen Kontext auf. So ist zum Beispiel der Versuch stark angepasster Menschen, ständig allen alles recht zu machen und ihre Bedürfnisse hintenan zu stellen, genau so ein Verhaltensmuster, wie die Angewohnheit einer sehr selbstbewussten Person, ihre Meinung stets sehr stark zu vertreten. Häufig haben soziale Verhaltensmuster kurzfristig positive Folgen (die angepasste Person zum Beispiel wird durch ihr Verhalten wohl tendenziell Konflikte vermeiden), langfristig können sie jedoch problematisch sein.

Eigene Verhaltensmuster erkennen

Bei manchen Verhaltensmustern ist uns sehr wohl klar, dass sie eigentlich nicht gut für uns sind. Anderen kommen wir nicht so leicht auf die Schliche. Wie lassen sich unsere negativen Muster also erkennen?

Hierzu ist es hilfreich, einen Schritt zurückzutreten, um sich selbst aus einer Außenperspektive zu betrachten. So können wir uns selbst beobachten: Was sind Verhaltensweisen, die wir immer wieder zeigen, und wie reagieren andere Personen auf uns? 

Weiter können wir Situationen analysieren, in denen wir uns unwohl fühlen oder negative Emotionen verspüren. Woher kommen diese negativen Gefühle? Inwiefern tragen wir selbst dazu bei, dass solche Situationen immer wieder auftreten?

Schließlich kann es hilfreich sein, Feedback von außen einzuholen. Wir können Menschen fragen, die uns nahestehen und denen wir vertrauen, wie sie uns wahrnehmen. Welche Verhaltensmuster vermuten sie bei uns?

Typische Denkmuster

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Neben den Verhaltensmustern haben Menschen auch Denkmuster, also gedankliche Abfolgen, die immer wieder auftreten. Oft resultiert auch unser Verhalten aus diesen eingeschliffenen Denkmustern. Der Psychiater Aaron T. Beck stellte eine  Aufzählung typischer Denkmuster auf, die er “kognitive Verzerrungen” nannte. Dazu zählen unter anderem die folgenden acht Denkmuster:

1

Willkürliche Schlussfolgerungen

Hier werden Schlussfolgerungen aus einer Situation gezogen, ohne dass andere Alternativen berücksichtigt werden. Wenn der oder die Partner:in zu spät zu einer Verabredung kommt, schlussfolgern wir daraus zum Beispiel: “Naja, dann bin ich ihm oder ihr wohl nicht wichtig.” Dies mag uns erstmal als die einzige plausible Erklärung vorkommen. Andere, (mindestens) gleich wahrscheinliche Erklärungen, wie zum Beispiel, dass der oder die Partner:in einfach den Bus verpasst hat, werden nicht berücksichtigt.

2

Übergeneralisierungen

Übergeneralisierung bedeutet, dass aus einer einzelnen Erfahrung auf eine allgemeingültige Regel geschlossen wird. 

Ein Beispiel hierfür ist Fremdenhass: Wenn aus einer einzelnen negativen Erfahrung mit einer Person einer bestimmten Nationalität darauf geschlossen wird, dass sich sämtliche Personen dieser Herkunft so verhalten, ist das eine Übergeneralisierung.

3

Dichotomes Denken

Dichotomes Denken wird auch Schwarz-Weiß-Denken genannt. Viele mögen das aus der Schule oder der Uni kennen: Nach einer Prüfung hat man das Gefühl, entweder extrem gut gewesen oder auf jeden Fall durchgefallen zu sein.

4

Personalisierung

Personalisierung bedeutet, sich selbst stets als Ursache für Ereignisse zu sehen, das heißt, sich selbst die Schuld zu geben. Auch hier werden alternative Erklärungen nicht berücksichtigt. Personalisierung könnte beispielsweise  sein, bei einer schlechten Schulnote direkt darauf zu schließen, dass man selbst schuld ist, weil man zu wenig gelernt hat oder einfach nicht schlau genug ist. Dabei könnte es auch andere Gründe geben: Zum Beispiel könnte die Prüfung einfach sehr schwierig gewesen sein, oder der Lehrer den Stoff nicht gut vermittelt haben.

Dieses Denkmuster entsteht sehr häufig in der Kindheit, da Kinder in einem gewissen Alter  noch nicht in der Lage sind, Perspektiven zu übernehmen. So können sie keine alternativen Erklärungsmodelle schaffen, bei denen der Grund für ein Ereignis nicht in ihnen selbst liegt. Daher fühlen sich Kinder oft für Verhaltensweisen ihrer Eltern – zum Beispiel Streiten oder schlechte Laune – verantwortlich .

5

Maximieren

Dabei geht es um Über- oder Untertreibung. Menschen neigen dazu, erlebte Situationen zu übertreiben. Und sind wir ehrlich: Jede:r von uns hat doch schon mal eine Geschichte so ausgeschmückt, dass sie ein bisschen spannender wurde – oder umgekehrt gewisse Einzelheiten weggelassen, die nicht ins Bild passten.

6

Katastrophisieren

Hier werden Schlussfolgerungen aus einer Situation gezogen, ohne dass andere Alternativen berücksichtigt werden. Katastrophisieren bedeutet, bei einer bevorstehenden Situation den schlimmstmöglichen  Ausgang zu erwarten. Will man sich beispielsweise auf einen neuen Job bewerben, könnte ein katastrophisierender Gedanke sein :” Ich brauche es gar nicht erst versuchen, ich werde sowieso abgelehnt.”

7

Emotionale Beweisführung

Bei diesem Denkmuster wird das eigene Gefühl als Beweis für die Richtigkeit einer  Annahme angeführt. Fühlt man sich beispielsweise schuldig, würde man daraus folgern, dass man tatsächlich etwas getan hat, was dieses Schuldgefühl rechtfertigt.

8

Selektive Wahrnehmung

Diese Art der Wahrnehmung kann auch als “Tunnelblick” bezeichnet werden. Selektive Wahrnehmung bedeutet, dass die Wahrnehmung auf einen bestimmten Aspekt der Realität eingeschränkt wird. Möchten wir uns zum Beispiel ein bestimmtes Auto der Marke BMW kaufen, sehen wir dieses Auto plötzlich überall. Bei der selektiven Wahrnehmung neigen Menschen dazu, sich unverhältnismäßig stark auf negative Aspekte zu konzentrieren. Will man sich mit Freund:innen treffen, mag man geneigt sein, eher zu denken “Wie stressig, genau heute passt es mir ganz schlecht” statt “Wie schön, dass ich so tolle Freund:innen habe, mit denen ich mich regelmäßig treffen kann.”

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Denk- und Verhaltensmuster ändern

Haben wir bestimmte Denkmuster bei uns wiedererkannt, stellt sich die Frage: Was jetzt?

Um die Verknüpfung im Gehirn zu lösen, ist es wichtig, sich immer wieder bei negativen Verhaltens- oder Denkmustern zu ertappen. Indem dann ein Schritt zurück gemacht wird, können die eigenen Gedanken oder das Verhalten kritisch hinterfragt werden. Gibt es für diese Situation vielleicht andere Erklärungen? Habe ich etwas auf mich bezogen, was gar nichts mit mir zu tun hat? Wir sollten also nicht immer gleich glauben, was wir denken oder fühlen. In bestimmten Situationen kann es auch hilfreich sein, einfach das Gegenüber zu fragen, wie genau etwas gemeint war oder ob wir es falsch verstanden haben.  

Um zu entscheiden, ob wir eine Gewohnheit verändern wollen, kann es helfen, eine Pro- und Contra-Liste zu erstellen. Welche Vorteile hat mein bisheriges Verhaltensmuster? Inwiefern tut es mir nicht gut, es beizubehalten, und was würde ich gewinnen, wenn ich es ablegen würde? Wenn man sich dazu entscheidet, das Verhaltensmuster ändern zu wollen, kann es hilfreich sein, die Vorteile des alten Musters auch beim neuen Verhalten einzubauen. Wenn man zum Beispiel Mühe hat, sich zum Joggen aufzuraffen, weil die Couch einfach so gemütlich ist, könnte man sich vor Augen halten, dass die Entspannung sich nach der Anstrengung noch viel besser anfühlen wird. Wenn die neue Gewohnheit keinen Verzicht bedeutet, ist es auch leichter, das alte Verhaltensmuster loszulassen.

Um das negative Verhaltensmuster durch ein positives zu ersetzen,  sollten wir klein anfangen. Wichtig ist, sich realistische und konkrete Ziele zu setzen, statt direkt von 0 auf 100 durchzustarten. Denn wenn wir kleine Dinge ändern, kommen wir dem großen Ziel immer ein Stück näher. Wer sich zum Beispiel vornimmt, mehr Sport zu machen, sollte erstmal mit wenigen und kurzen, aber regelmäßigen Einheiten anfangen. Sobald sich diese Gewohnheit langsam verfestigt, kann man sich steigern.

Manchmal können es auch soziale Motive sein, die uns dazu bringen, uns negative Verhaltensmuster anzueignen oder sie beizubehalten – beispielsweise, wenn wir jedes Wochenende mit unseren Freund:innen Alkohol trinken, um dazuzugehören oder Diskussionen zu vermeiden. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, die eigenen Werte zu definieren und in klaren Sätzen zu formulieren. So kann man sich leichter daran halten.
Neue Denk- oder Verhaltensmuster brauchen Zeit. Hier gilt vor allem: Nicht aufgeben! Manchmal muss man sich durch Enttäuschung oder Frustration durchbeißen. Denn nur wenn der innere Schweinehund immer und immer wieder überwunden wird, kann sich eine neue positive Routine einschleifen.

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